Zuviel Krieg

entwaffnende Lieder

Anfang 2018 stieß ich auf ein Projekt der von mir sehr geschätzten US-Singer/Songwriterin Mary Gauthier, das mich fasziniert hat. Mir war die Sängerin von ein paar früheren Platten bereits als Roots-Sängerin bekannt, die mit sparsamen Arrangements unter die Haut gehende Lieder zu schreiben versteht.

Mary Gauthier hatte sich in einer Liederschreib-Werkstatt mit Veteranen der US-Army aus dem Irak-Krieg und mit Einsätzen in Afghanistan zusammengesetzt und auch mit deren Angehörigen und dort dem Versuch gewidmet, die Traumata dieser Kriegsteilnehmer und die Erfahrungen ihrer Angehörigen mit den traumatisierten Heimkehrern in Liedern zu verarbeiten. Heraus kam dabei die CD "Rifles & Rosary Beads", die ich mir aus den USA bestellte. Manche Kritiker halten sie schon jetzt für den wichtigsten Tonträger, der mutmaßlich in diesem Jahr in den USA erschienen ist/sein wird.

In den darauf folgenden Wochen habe ich die elf Lieder der CD ins Deutsche zu übertragen versucht, hab dabei auch gedankliche Anregungen erhalten, die in eigene Lieder zu diesem Themenkomplex mündeten und die Mary Gauthiers Lieder - wie ich finde - gut ergänzen.

Es ist gewiss kein unterhaltsames oder fröhliches Programm, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es überhaupt komplett konzerttauglich ist, weil es eher Betroffenheit als Fröhlichkeit bewirkt. Aber in Zeiten, in denen die Herrscher waffenstarrender Nationen wieder mit den Ketten rasseln, in denen  offenbar Konjunkturprogramme für die Rüstungsindustrie beschlossen werden, in denen "Bündnispartner unter Druck gesetzt werden, zum Wohle der Waffenhersteller ihre Rüstungsetats hochzuschrauben, ist es vielleicht ein kleiner Beitrag, ohne Kriegserklärung Erklärendes zum Krieg zu schreiben und zu singen, um so größere Friedenssehnsucht auch bei denen zu wecken, die Krieg - wie ich - nur aus der Tagesschau kennen.

Dass Krieg uns mittlerweile doch hautnah rückt, erleben wir nicht nur an den Menschen, die bei uns Schutz und Zuflucht gesucht und einige ja auch gefunden haben. Hinzu kommen die jungen deutschen Soldaten, die mit posttraumatischen psychischen Schäden von ihren Kriegseinsätzen zurückgekehrt sind und mitten unter uns leben. So gesehen wäre dieses Programm mit "entwaffnenden Lieder" vielleicht nicht nur etwas für den Volkstrauertag... Eine CD mit den Liedern liegt vor.