abgelaufen

 

"Früher oder später kommt der letzte Kilometer.

Ich lauf weiter - hinterher weiß ich über mich viel mehr,

sing Jakobs Hymne, Jakobs Blues - und weiß, ich bin gut zu Fuß..."


Ist der Weg das Ziel?

Oder ist das Ziel im Weg?

Welcher Weg führt zum Ziel?

Oder zielt der Weg vielleicht daneben?

Wer sich auf den Jakobsweg begibt, ist auf der Suche.

Er hat Fragen im Gepäck und will unterwegs Antworten finden.

Wer Schritt vor Schritt setzt, setzt sich auseinander:

Mit sich selbst und seinen Nächsten,

auch mit Gott und der Welt,

hat so seine Gedanken,

denkt sich sein Teil.

                                                                                              Gerd Schinkel

Liedermacher aus Köln-Sülz,

hat sich 2014 auf den Jakobsweg begeben,

ist auf den sieben Schlussetappen 160 Kilometer gelaufen

und hat unterwegs immer wieder seine Gedanken in Stichworten festgehalten,

und seine Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse gleich nach der Rückkehr aus Santiago

 zu knapp 30 Liedern verarbeitet, die er in der Johanneskirche vorstellen wird:

Nachdenklich und verunsichert, einsichtig und aufgebracht,

leutselig, neugierig, nachsichtig, spöttisch,

erschöpft, trotzig und stolz

auf das Geschaffte.

Ein Radio-Interview zum Programm "abgelaufen - lieder vom jakobsweg", ausgestrahlt am 14.3.2015 im Dom-Radio Köln, etwa 30 Minuten lang, leider ohne Filmaufnahme...

 

 

gerd schinkel

 

 

abgelaufen


eigen(füßig)e Lieder vom Jakobsweg

 

Textheft


Liederverzeichnis

 

CD 1

01 Der Weg ist das Ziel -

02 Verunsicherte Nachfrage -

03 Viel zu schwer -

04 Gepäck  -

05 Wenn's bedeckt ist -

06 Die apokalyptischen Radler -

07 Bon Camino -

08 Zielvorgabe -

09 Knipsers Lust -

10 Warum auch nicht -

11 Tage und Nächte -

12 Wie kommt der Stein in den Schuh -

13 Schrunden und Blasen -

14 Der Kick -

15 Pause -

 

CD 2

16 Pilger -

17 Die Zeit schleicht -

18 Lied der Notdurft -

19 Zeichensetzung -

20 Ich mach nicht mit -

21 Volker, hör die Signale -

22 Geh deinen Weg -

23 Der Tod ist nichts -

24 Wunder(bar) -

25 Der Weg -

26 Abgelaufen -

27 Jakobs Walkingblues -

28 Volker -

29 Finistera -

 

 

alle Lieder Copyright 2014 Gerd Schinkel

50935 Köln

Wildenburgstrasse 32

Tel. 0221 43 93 43

Mail: info@gerdschinkel.de

www.gerdschinkel.de

gerdschinkel.jimdo.com

 

 

Moderation Einleitung

 

"Früher oder später

kommt der letzte Kilometer.

Ich lauf weiter - hinterher

weiß ich über mich viel mehr,

sing Jakobs Hymne, Jakobs Blues -

und weiß, ich bin gut zu Fuß..."  -

 

Was ist der Weg? Der Fortbewegungspfad dorthin, wo man hin will? Zu einem Ziel wo auch immer? Nah oder weit? Ist der Weg schon das Ziel? Oder das Ziel etwa im Weg? Welcher Weg führt zum Ziel? Zielt der Weg womöglich daneben?

 

Wer auf den Jakobsweg geht, ist auf der Suche. Mit Fragen im Gepäck und will unterwegs Antworten finden. Wer Schritt vor Schritt setzt, setzt sich auseinander: Mit sich selbst, seinen Nächsten, mit Gott und der Welt. Er hat so seine Gedanken - und denkt sich sein Teil.

 

Ich bin Ende August 2014 auf den Jakobsweg gegangen, bin 160 Kilometer auf den sieben Schlussetappen gelaufen. Rentner haben Zeit. Ich verknüpfe inzwischen das, was ich 34 Jahre als Journalist hauptberuflich gemacht habe, mit dem, was all die Jahre zurückstehen musste: Mit Musik: Ich besinge nun in aktuellen eigenen Liedern das, was passiert und was mir passiert.

 

Damit mich keiner falsch versteht: Ich hab gehofft, dass mir der Jakobsweg Anregungen für Lieder gibt, hab aber nicht nach Stoff gesucht, um anklagende oder scharfe kritische Lieder zu schreiben. Ich wollte mich nicht unerkannt unter vermeintlich durchgeknallte Gottesfürchtige mischen, um sie anschließend hämisch lächerlich zu machen. Ich wollte gucken, was da passiert, und sehen, ob dabei auch was mit mir passiert, und falls ja, was.

 

Unterwegs bin ich immer wieder stehengeblieben, hab meine Eindrücke und Gedanken in Stichworten festgehalten, meine Gefühle erspürt, meine Empfindungen bestaunt, und gleich nach der Rückkehr aus Santiago de Compostela meine Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse zu knapp 30 Liedern verarbeitet: Nachdenklich und verunsichert, einsichtig und aufgebracht, leutselig und neugierig, nachsichtig und spöttisch, erschöpft, trotzig und stolz auf das Geschaffte.

 

Davon will ich berichten, Euch mitnehmen, dran teilhaben lassen, Euch meine Erinnerungen erzählen, mit Euch meine Bewertungen nachempfinden, meine Gefühle zurückrufen und Euch Lieder vorsingen... Euch so unterhalten... - vielleicht auch auf den Weg schicken... auf Euren Weg...

 

 

1 Moderation: Der Weg ist das Ziel

 

Zielstrebig - manche sind's, manche nicht - hängt wohl viel vom Ziel ab, ob man wirklich will oder nicht.... Mitunter bin ich zielstrebig. Nicht immer, aber wenn's mir wichtig ist. Hab ich mir was vorgenommen, will ich es erreichen. Je weiter es noch weg ist, umso dringender... Aber je näher ich dem Punkt komme, von dem aus es kaum noch ein Zurück geben kann, umso größer können die Zweifel werden, ob ich denn da überhaupt noch hin will...

 

Aber mit Abstand, so lange er noch groß genug ist, malt sich meine Phantasie aus, was da auf mich zukommt, malt es vorwiegend rosig. So hält sie die Neugierde wach, der ich die Initialzündung verdanke, und auch den Mut, auf dieses Ziel loszugehen, ohne groß weiter nachzudenken...

 

Was entfaltet die stärkste Triebkraft? Ist es der Ehrgeiz? Der Wille, es zu schaffen? Oder die Angst, zu scheitern, sich eingestehen zu müssen, dass es an Kraft gefehlt hat? Jeder, den der Wunsch gepackt hat, auf den Jakobsweg zu gehen, dürfte sich schon lange vor dem Aufbruch damit beschäftigt haben, was da wohl auf ihn zukommt. In der Phantasie die Reise schon mal vorweg zu spinnen, das passiert von allein...

 

So entstand auch in mir ein Gefühl, dass sich da irgendwas in mir verselbständigt. Das war schon irritierend... Ich hab mich in gewisser Weise ausgeliefert gefühlt und war doch positiv gespannt, was da gerade mit mir wohl passiert und noch passieren würde...

 

 

Der Weg ist das Ziel                                                                      A/0

 

Der Weg ist das Ziel - das Ziel ist ein Weg.                                           AA

Komm ich hin, wo ich will, wenn ich lang überleg?                             AAA7

Lauf ich erst einmal los und frag nicht lang wohin,                              DDA

und schau erst, bin ich da, ob ich bleib, wo ich bin.                             EEA

Ist der Weg nur ein Spiel? Spielt der Weg nur mit mir?                       DDA

Will er sehn, wer gewinnt? Gucken, wie ich verlier?                            DDA

Spiel ich einfach mit ihm? Und lass ihm keine Chance?                     DDA

Geh voran irgendwie, Schritt für Schritt wie im Trance                      EEA

 

Ist der Weg viel zu weit, ist das Ziel auch im Weg...

Hab ich dafür denn Zeit? Bin ich nicht viel zu träg...?

Schon vorher umzukehr'n, hat doch auch kein' Zweck...

Fuß vor Fuß voller Mut, bleibt das Ziel auch weit weg.

Und verwegen aufs Ziel' geh ich zu ganz gezielt,

und direkt darauf los - nicht geschummelt, geschielt.

Schlag auch gar keine Wurzeln, bin doch längst auf m Weg,

lauf dem Ziel so entgegen, bis zur Ruh' ich mich leg.

 

Das Ziel heißt nun "bewegen", hier und jetzt, wie ich kann.

Darum geh ich den Weg nun und nicht irgendwann.

Und krieg ich müde Füße, gehn die mir auf den Keks,

schreib ich rasch ein paar Grüße, wie's mir geht unterwegs.

Hab das Ziel im Visier und die Strecke im Blick.

Wohin lauf ich von hier? Was sitzt mir im Genick?

Komm ich immer voran? Um die Kurven gradaus?

Komm ich auch noch mal an? Irgendwann auch nach Haus?

 

Geh den Weg festen Schritts, Blasen drücken gemein.

So war das nicht mein Ziel, aber muss wohl so sein.

Und komm ich abends an, fix und fertig, schachmatt,

etwas näher dem Ziel, wieder absolut platt.

Komm ich mal ab vom Weg,  wie find ich dann mein Ziel?

Was muss ich wem bezahln, krieg ich was - wenn, wie viel?

Bin ich einfach nur läufig? Find ich mal ein Versteck?

Schreib ich drüber ein Buch, nenn's: Jetzt bin ich mal weg.

 

 

2 Mod. Verunsicherte Nachfrage

 

 

Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, von dem aus alles seinen vorgezeichneten Gang geht: Die Zielorientierung hat sich verselbständigt. Alles geht seinen Lauf, wenn man den Dingen eben ihren Lauf lässt, vorausgesetzt, dass man sich  ihnen nicht mehr entzieht, weil man es nicht mehr will, oder kann... Man wird zum Gezogenen, wenn nicht gar zum Getriebenen...

 

Die notwendige Vorbereitung schiebt den willigen Pilger in die Startlöcher... Und wer da drin hockt, und vor seiner ersten Pilgertour nicht gerade vor Selbstbewusstsein zu bersten droht, der möchte dann am liebsten ganz in diesen Startlöchern versinken... Für den Pilgerneuling können diese Löcher gar nicht tief genug sein, um sich nicht kurz vor dem Start doch noch ganz tief in ihnen zu verkriechen, weil man nicht mal mehr herausschauen mag...

 

Vom Flughafen Santiago de Compostela führte uns eine mehrstündige Busfahrt nach O Cebreiro. Das war der Ausgangsort an der asturisch-galizischen Grenze für unsere siebentägigen Pilgertour auf dem Camino Frances. Je länger diese Busfahrt dauerte, umso deutlicher wurden die Zweifel an der selbst empfundenen Leistungsfähigkeit, und umso größer wurde das Unbehagen über die eigene Entscheidung, sich dieser Herausforderung zu stellen.

 

Bei jeder Ausfahrt wünschte man sich sehnlichst, der Bus möge doch bitte jetzt von der Autobahn abfahren, um den Rückweg zu Fuß über die eindrucksvollen Höhenzüge nicht zu lang und mühsam werden zu lassen... Beim Ausstieg aus dem Bus hatte ich Pudding in den Knien: Auf was hatte ich mich da bloß eingelassen... auweiauweiauwei... Einigen anderen ging es offensichtlich genauso...

 

Aber dann hat sich in mir ein Rest von Trotz gewissermaßen selbst mobilisieren können. Ich war ja schließlich nicht der erste, der sich den Weg vorgenommen hatte, nicht der erste, der es versuchen wollte, nicht der erste, der es wagen würde und ja wohl auch schaffen konnte...

 

Jetzt aber - und jetzt erst recht...

 

 

Verunsicherte Nachfrage       G/2

 

War ich bescheuert?                                      G

Bin ich verrückt?                                           Ge

Warum hab ich mich nicht                           C

beizeiten gedrückt?                                       D9e  ID

Hab mich nicht klein gemacht,                   G

dass man mich übersieht,                             Ge

und der Kelch                                                 C

weiter ohne mich zieht.                                D9G

 

Was hat mich da geritten?                            Cmaj7/5-

Mich hat keiner gedrängt...                          De

War mein Hirn denn kaputt,                        C

als ich mich reingehängt?                             Cmaj7/5-'DD7

Hätt' mich auf Seite stell'n,                          G

abseits stehn könn' und gehn...                    Ge

II: Wieso bin ich so neugierig,                    C ID9    /C

muss viel zu viel sehn? :II 2x                       D9e        /DG

 

Was ist in mich gefahrn,

Was hat mich gepackt?

Wie komm ich da wieder raus?

Ist jetzt ziemlich vertrackt...

Hab ich nicht aufgepasst?

War zu sehr abgelenkt?

Und jetzt ist eh zu spät -

Fluch und Jammer geschenkt....

 

Wer hat mich losgeschickt?

Wem geb ich jetzt die Schuld?

Wer ist verantwortlich?

Wer hat mit mir Geduld?

Wer wies die Richtung mir,

nahm mich einfach mit?

II: Zuerst ging Martina vor -

vielleicht halt ich Schritt...:II 2x

 

 

3 Moderation: Viel zu schwer

 

Das letzte Hemd ist das ohne Taschen. Nur wer die allerletzte Reise antritt, geht ohne Gepäck - sonst hat jeder auf seinem Weg wohl allerhand dabei. Man hat gern dabei, was man zu brauchen glaubt und für unverzichtbar hält - aber was ist schon unverzichtbar... was braucht Mann... oder Frau... ?

 

Wer sich einen großen Rucksack zulegt, ist versucht, ihn zu füllen. Was kann man sich an Gewicht zumuten? Kann es wirklich auf ein paar Gramm mehr oder weniger ankommen? Reicht nicht Pi mal Daumen? Vor zu großer Selbstzumutung schützt eine Faustregel: Zehn Prozent des eigenen Körpergewichts - mehr nicht! Die sind schnell erreicht - und vor dem Verzicht auf dies oder jenes nach dem ersten Abwiegen steht das Abwägen: Was brauch ich, und wenn ja, wie viel? Warum sich einschränken? Und wenn man's denn wirklich müsste - wie?

 

Kleinere Packungen, selber kleine Mengen abfüllen... leichtere Sachen, Wegwerfprodukte. Der Markt hat sie doch im Regal.. Wird man später für jedes Gramm dankbar sein, das nicht mehr auf einem lastet? Bis zum Idealgewicht des Rucksacks verwünscht man das eigene Unvermögen zum großzügigen Verzicht...Also strikt an die Packliste halten, die man erst nicht ernst genommen hatte.

 

Und so nahm ich widerwillig, widerstrebend, genervt, die erste Selbstbeobachtung zur Kenntnis: Wie rasch ist man bereit - nach dem Motto, wer wird denn so pingelig sein - die aus guten Gründen, vor allem aus Erfahrung empfohlene Stückzahl etwa bei Unterhosen, Socken oder T-Shirts generös zu überschreiten. Über die Folgen mag man nicht nachdenken.

 

Zweite Selbstbeobachtung: Man vertut sich enorm, welches Gewicht man auf längerer Strecke für tragbar hält und was man zunächst noch blauäugig bereit ist, sich zuzumuten. Ich hab meine eigene Kraftmeierei als selbstentlarvend erlebt. Wahrscheinlich ist das ja auch so ein "Männerding"...

 

Dritte Selbstbeobachtung: Wie rasch lernt man dazu... - fand ich irgendwie beruhigend...

 

 

Viel zu schwer                                                                                                DD/0

 

Viel zu schwer ist das Gepäck. Was muss rein, was könnte weg:                      DD

Zwei Paar Unterhosen, Socken, sind mal welche nicht ganz trocken,             GA9GA9

T-Shirts zwei, ne warme Jacke, und was ich dann sonst noch packe,              DD

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau...                                     GFCD

 

Lange Hose zum Ersatz  hat ganz sicher darin Platz,

Duschzeug, Pflaster, Schlafanzug wäre sicher auch noch klug.

Wäscheklammern, Klopapier hast du besser auch bei dir,

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau...

 

Reiseführer, Badekleidung, Mückenschutz zur Juckvermeidung,

Ohropax und Wasserflasche steck noch mit in deine Tasche,

Taschenmesser, Tagebuch, vielleicht auch ein großes Tuch,

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau...

 

Deutlich vorher sollt man holen: Wanderschuh' mit guten Sohlen,

zusätzlich noch die bequemen offenen Sandal'n mitnehmen,

Handtuch, Schlafsack, Taschenleuchte, falls ich nachts mal eine bräuchte,

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau.

 

Hut mit Krempe, Sonnenschutz, Stöcke, die ich auch benutz,

Wäscheleine, Sonnenbrille, was zu lesen für die Stille,

Zahnbürste und Zahnpasta, Shampoo, Schere, Kamm - na klar,

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau.

 

Etwas muss erreichbar sein und bestimmt nicht tief hinein:

Sorgsam flach zusammenlegen: Einen Umhang gegen Regen,

um die Füße einzucremen, ist noch Creme mitzunehmen,

überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau.

 

Man merkt stets weit vor dem Ziel: Eingepackt ist viel zu viel -

und man hat stets das vergessen, was man grad gern hätt besessen...

Muss man extra sich was kaufen? Kann man ohne weiterlaufen?

Überleg ich mir genau - bin ich clever, bin ich schlau.

 

 

4 Moderation: Gepäck

 

Wenn der Rucksack richtig sitzt, ist das Gepäck gut auf den Hüften zu tragen. Sollten die Trageriemen nicht richtig angepasst sein, lastet es unbequem auf den Schultern. Zusätzlich haben manche erhebliche seelische Lasten zu schleppen, die manchmal der eigentliche Anlass waren, sich auf den Weg zu machen, um Abstand zu gewinnen...

 

Nicht alles passt hinein, nicht alles taugt für den regendichten Rucksack - und ist doch schwerstes Gepäck. womöglich von Tränen durchtränkt. Eine Last, die man so leicht nicht los wird, nicht einfach dalassen, nicht aufgeben oder abgeben kann, deren Transport keiner übernimmt... Keine Chance - da muss man durch, das muss man schleppen, wie sein ganz persönliches Kreuz. Weil nur genau  dieses Abschleppen erleichtert und dazu befähigen kann, loszulassen, abzuwerfen, sich frei zu machen... Aber zunächst heißt es, das Gewicht zu schultern, und irgendwann spürt man es vielleicht gar nicht mehr...

 

Soweit die Theorie... Soviel hab ich begreifen können, Mitgefühl, Empathie hatte ich eingepackt - aber was war meine eigene Last und Belastung? Was schlepp ich selber mit mir? Hab ich alles mitgenommen? Alles dabei? Davon zu wenig eingepackt? Mich um diese Last gedrückt?

 

Lass ich eine Chance ungenutzt? Lauf ich oder steh ich mir vielleicht selbst im Weg herum? Vor den Füße? Bin mein eigener Knüppel zwischen den Beinen? Mein eigenes Stolperrisiko? Auf dem Weg mir selbst im Weg?

 

Zunächst versuche ich mich als Mitläufer... mitfühlend, auch mitleidend, wenn ich Leid wahrnehme, mitnehmend, wenn mich dafür jemand brauchen kann...

 

 

Gepäck                                                                                                     a/0

 

Ein Rattenschwanz von Sorgen würgt und fesselt alle Glieder.          a a/H   a/Ca/D E a

Gedanken taumeln im Gehirn und lähmen immer wieder.                 a a/H   a/Ca/D E a

Bei Nacht verweigert sich der Schlaf, es kreischt in beiden Ohren,  GaGa

die Augen brennen, Zahnweh plagt - man schwitzt aus allen Poren. a a/H   a/Ca/D E a

 

Der Kopf ist voll, ums Herz ist eng, ein Klos sitzt in der Kehle,

die Lunge klemmt, der Puls, der jagt, ein Druck liegt auf der Seele.

Er wiegt so schwer, ist zäh wie Teer - wer kann so viel ertragen?

Wo bleibt Distanz? Du weißt nicht weiter, muss den Absprung wagen.

 

Schleppt man so viel Gepäck mit sich und kann es nicht verlieren,

weil man nicht drüber reden mag - man weiß sich zu maskieren.

Doch trifft dann einer auf den Punkt - kann aus Versehn geschehen -

dann weiß man tränenblind nicht mehr, wie soll es weitergehen...

 

Wem es so geht, dem hilft der Weg Tapeten mal zu wechseln.

Schon möglich, dass es ihm gelingt, die Ängste klein zu häckseln...

Willst du für dich sein, lässt man dich - doch läufst du nie alleine.

Du siehst den Weg, setzt Fuß vor Fuß, kommst über alle Steine.

 

Du kommst zu dir, siehst in dich rein, und kannst dich neu sortieren.

Glaub's oder nicht, du wirst schon sehn - es wird schon funktionieren.

Und plötzlich wird der Himmel klar, der Horizont wird weiter -

du findest Mut, der tut dir gut - wirst vielleicht sogar heiter...

 

 

5 Moderation: Wenn's bedeckt ist

 

Schließlich ist man unterwegs, kann es selbst kaum fassen. Man läuft gewissermaßen neben sich her und schaut ungläubig zu, wie man Fuß vor Fuß setzt, Schritt für Schritt macht, schaut sich vielleicht auch mal um, ob man sogar Spuren hinterlässt...

 

Man geht, so wie's geht... unbeirrt, energisch - aber manchmal auch schon gequält, da sollte man auch ehrlich mit sich selbst sein... gehört doch irgendwie auch zur Selbstkasteiung. Nicht immer ist der Körper schon soweit wie der Geist, und Teile des Bewegungsapparates, die normalerweise nicht so gefordert sind, reagieren spürbar, wenn sie sich geschunden fühlen, nehmen nicht einfach hin, was mit ihnen geschieht, was man ihnen antut... Das Fleisch ist halt schwach.

 

Und so hebt eben der willige Geist trotzig den Blick vom Boden und sucht die Perspektive in der Ferne. Dort liegt ja ein Horizont, hinter den man vorstoßen möchte, selbst wenn man ihn jetzt gerade bestenfalls ahnen kann, und der grüßt schon heftig, auch wenn er nicht winkt, zumindest wäre er sehen, wäre er nicht gerade verborgen.

 

Wer das begriffen hat, der hat wenigstens schon mal teilweise auch bei trüben Sichtverhältnissen den Durchblick: Es gilt: Die Aussicht ist nicht immer so, wie sie sein sollte - kann sich aber ändern. Das gilt sowohl im konkreten, als auch im übertragenen Sinne. Aber darauf kommt man, wenn man beim nahezu automatischen Fuß-vor-Fuß-Setzen so vor sich hin grübelt, von alleine...

 

Ich hab gesehen, dass ich immer was gesehen habe, auch wenn es nicht das war, was ich gern gesehen hätte. Ich hab geguckt, geschaut - und wie ich dabei ausgesehen habe, war völlig egal. Auch diese Erkenntnis hab ich mir "erlebt", hab mir diesen speziellen Durchblick erlaufen. Ich hab mich umgeschaut - und sogar den Nebel genießen können...

 

Irgendwann hab ich mir gedacht, klare Sicht wird doch eigentlich völlig überbewertet. Sie kann zwar schön sein, aber hat sie nicht auch was Überirdisches, was Unwirkliches? Was Aufdringliches?

 

 

wenn's bedeckt ist                                          E/0

 

Wenn's bedeckt ist,                                                      E

sieht man vom Gipfel nichts genau,                           EH7

wenn's bedeckt ist,                                                       H7

ist auch das Morgengras voll Tau,                             H7E

wenn's bedeckt ist,                                                       E

dann ist die Aussicht grad nicht weit,                        E7A

wenn's bedeckt ist,                                                       E

dann ist wohl dafür grad die Zeit.                              H7E

 

Und wie du siehst, dann siehste nix                          AE

läufst du auch weiter, noch so fix...                            H7E I E7

II: der Himmel klart beizeiten auf -                          A c

mal geht's bergab und mal bergauf. :II                     H7c I AH7E

 

Wenn's bedeckt ist,

ist auch der Blick aufs Meer nur grau,

wenn's bedeckt ist,

bleibt's hinterm Nebel trotzdem blau,

wenn's bedeckt ist,

dann ist der Blick vielleicht nicht klar,

wenn's bedeckt ist,

schau mehr auf all das, was dir nah...

 

Und wie du siehst, siehste allerhand,

bist weit gelaufen und gerannt...

dann wird der Himmel plötzlich klar,

und du erkennst - du bist schon da...

 

 

6 Moderation: Apokalyptische Radler

 

Ich geh den Holweg für mich hin, denk an dies und das, was mich bewegt, voranbringt, während ich mich bewege. Ich lass mich von den Unebenheiten vor meinen Füßen von den Unebenheiten ablenken, die mir sonst im Wege liegen. Jeden Schritt nehme wahr, ob ich will oder nicht, denn die Strecke prägt sich ein - nicht nur ins Gedächtnis, sondern in jeden Muskel, jeden Knochen - zumindest auf den ersten Etappen.

 

Ich horche gewissermaßen in mein Inneres, ob ich in der Lage bin, meine Pilgertour zu genießen - und werde überfallartig aus meiner Trance gerissen. Ich kann kaum so rasch zur Seite springen wie nötig, um mich in Sicherheit zu bringen, wenn bestimmte sportliche Geisterreiter, wenn die rasende Drahtesel-Kavallerie von hinten angebraust kommt. Sie verlangt umgehend - also am liebsten schon vorhin - freie Bahn, um in ungebremstem Tempo vorbei zu schießen, damit sie die mühsam auf Schusters Rappen per pedes dahin trottenden Pilgern hinter sich lassen kann... Lästiges Fußvolk...

 

Als Wanderer mit blasengeplagten Fußsohlen vernimmt man von der Grußformel "Bon Camino", die einem sattelfest entgegen geschleudert wird, nicht selten nur die ersten beiden Silben - den Rest, den verschluckt der Fahrtwind, den Rest, Freund, vernimmt ganz allein der Wind... Könnte auch Lützows wilde verwegene Jagd gewesen sein.

 

Ich geb's zu: Für Nachsicht, Gelassenheit war ich wohl überfordert. Dafür war der Hohlweg wohl auch zu schmal.... Muss ich mir denn in die Hacken fahren lassen? Aus dem Weg springen, als wäre ich unbefugt unterwegs, unberechtigt auf einer Fahrbahn? Im wahrsten Sinne des Wortes "im Weg"? Ein Hindernis? Ein Störfaktor für diejenigen, die es auf dem Pilgerweg eilig haben? Hat dort mittlerweile der Geschwindigkeitsrausch den meditativen Schritt verdrängt? Wo ist das Tempolimit? Wo bleibt die Radarkontrolle?

 

Warum gibt es eigentlich keinen extra Pilger-Radweg? Statt dessen diese Radrennbahn, für Querfeldeinradrennen... Mein ungetrübtes Pilger-Vergnügen sähe anders aus. Aber wer ist schon zum Vergnügen hier... Man muss ja wohl was ablaufen... bin vielleicht auch nur läufig...

 

 

Apokalyptische Radler                DD/0

 

Rasch in Deckung, aus dem Weg,              d

Böschung hoch und hintern Baum,            C

apokalyptische Reiter auf Rädern                              d

brauchen Platz und brauchen Raum.          C

Die bremsen nicht, die klingeln nur           d

und fahr'n dir glatt die Füße ab,                  C

wenn du nicht auf Seite springst -               d

schon wieder einer - das war knapp...        C

 

Heiße Reifen, steile Abfahrt,                       F

enge Kurven, Tempo satt -                           g

ich wünsch dir eine lange Pause                 F

und dazu beide Räder platt...                       gA

 

Drück dich an den Zaun, die Hecke,

spring über den Stacheldraht,

willst du gern dein Ziel erreichen,

dann such dir nen sich'ren Start.

Geht es über Stock und Stein,

wechsle bloß nicht deine Spur,

dreh den Kopf, blick stets nach hinten,

denn so überlebst du nur...

 

Heiße Reifen, steile Abfahrt,

enge Kurven, Tempo satt -

ich wünsch dir eine lange Pause

und dazu beide Räder platt...

 

Fährt dir einer in die Hacken,

nimms für dich als Fitness-Test...

Bleib gelassen und sei dankbar,

dass man dich noch laufen lässt.

Radfahrer sind fröhlich, freundlich,

grüßen nett, sind stets gut drauf...

mach's wie sie und setzt zum Pilgern

einen festen Helm dir auf...

 

Heiße Reifen, steile Abfahrt,

enge Kurven, Tempo satt -

ich wünsch dir eine lange Pause

und dazu beide Räder platt...

 

 

7 Moderation: Bon Camino

 

Alles geht seinen Gang, jeder seinen Weg, jeder findet seinen Schritt, jeder sein Ziel... Man läuft sich warm, sich über den Weg. Ist unterwegs, überholt, wird überholt, geht vorbei, geht vorüber. Man wird zurückgelassen, aber nicht im Stich, denn so wie der Weg, geht auch kein Pilger verloren, und jeder Mitpilger, jede Mitpilgerin bliebe bei jedem, den die Kräfte verließen... soviel ist gewiss. Wer mag, kann alleine pilgern, aber niemand bliebe entkräftet allein gelassen.

 

Die Grußformel auf dem Jakobsweg für Begegnungen mit anderen Pilgern auf der Strecke, aber auch mit Einheimischen am Wegesrand, ist weder spanisch noch französisch, sondern in lingua franka - also ein Mischmasch, den jeder versteht und jeder rasch lernt: Das fröhliche "Bon Camino" begleitet den Pilger permanent und Generationen übergreifend. Mit dem herzlichen Zuruf können geschwundene Kräfte wieder mobilisiert werden - auch wenn genau so ein Gruß der apokalyptischen Radler als vom Fahrtwind verschlungene Floskel wie Hohn klingen mag... ist geschenkt wie verklungen...

 

Wo, wenn nicht hier, auf dem Weg unterwegs, trifft man Pilger, die um die halbe Welt gereist sind, um sich ihren Weg zu erschließen... Australier, die sich in Aix en Provence auf den Weg gemacht und schon ihre Sohlen durchgelaufen haben. Skandinavier, die sich Hunderte von Kilometern einer ungewohnten Hitze aussetzen und deren Etappen doch doppelt so lang sind wie meine. Sie wollen zielstrebig nach Santiago... immer eine Tafel Schokolade im Rucksack oder einen Erfrischungsschluck in der Flasche, um sie am Rastplatz mit jedem zu teilen, der erschöpft die Riemen seines Rucksacks und die Schnürsenkel seiner Wanderstiefel gelockert hat.

 

Wo kommst du her? Wie lange bist du schon unterwegs? Wo willst Du hin? Was hat Dich auf den Weg geführt? Wer bist Du? Die Neugierde ist ehrlich, wobei eines gar nicht interessiert: WAS bist du...das ist völlig unwichtig und das gefällt mir.

 

Auch die Anregung zur Frage: Wo komm ich her? Wie lang bin ich schon unterwegs? Wo will ich hin? Und wer bin ich eigentlich... Hmm - Kann ja gelegentlich mal eine Antwort überlegen...

 

 

Bon Camino                                                                           G/0

 

Bon Camino - guten Tag und guten Weg -                             G CDG

Bon Camino - einer flott, ein anderer träg -                            G D

Bon Camino - sagt man beim Vorübergehn -                         Ceaa/G

Bon Camino - und man wird sich wiedersehn.                      De

Bon Camino - und man wird sich wiedersehn.                      CGDG

 

Bon Camino - ich bin der, und du bist wer... ?

Bon Camino - sag doch mal, wo kommst du her?

Bon Camino - ist der Weg auch noch so weit -

Bon Camino - wünsch dir eine gute Zeit.

 

Bon Camino - jeder findet seinen Schritt -

Bon Camino - mal allein, mal läuft man mit... -

Bon Camino - in Santiago irgendwann -

Bon Camino - komm' wir hoffentlich doch an.

 

Bon Camino - und der Weg ist vor dir frei -

Bon Camino - und auch du bist mit dabei.

Bon Camino - bist du auch hier unterwegs?

Bon Camino - auch wenn du kein' Rucksack trägst.

 

Bon Camino - vielleicht sehn wir uns noch mal...

Bon Camino - hinterm Berg, im nächsten Tal...

Bon Camino - nächste Herberge vielleicht...

Bon Camino - wenn der Platz noch für uns reicht.

 

Bon Camino - jeder findet seinen Schritt -

Bon Camino - mal allein, mal läuft man mit... -

Bon Camino - in Santiago irgendwann -

Bon Camino - komm' wir hoffentlich doch an.

 

 

8 Moderation: Zielvorgabe

 

Pilger pilgern. Sie sind nicht auf dem Marsch, nicht im Stechschritt unterwegs, nicht in der Unerbittlichkeit eines befohlenen Tempos, kein Truppentrott, nicht im Gleichschritt menschenverachtenden Drills in eine Kolonne eingepasst. Jeder pilgert, jeder geht nach seiner Fasson, mit eigener Schrittlänge, nicht im Marschtakt, sondern nach seiner Weise, es ist kein Manöver, erst recht geht's nicht aufs Schlachtfeld, sondern einen ganz individuellen Weg entlang, und das auf vielfältige Art.

 

Und doch gibt es ein paar Kategorien, nach denen sich pilgernde Fußgänger unterscheiden, aber auch Gruppen zuordnen lassen. Man geht, wie man geht, bewegt sich auf eigene Weise, findet die für ihn oder sie typische Form. Man trifft sie alle, früher oder später... und gehört selbst dazu, zu der einen oder anderen Sorte.

 

Und so fällt mir auf, wie hier meine gehegte und gepflegte Individualität an Bedeutung verliert. Ich merke, wie das eigene Ansinnen der angestrebten und behaupteten Unvergleichlichkeit und Einzigartigkeit unter dem Profil meiner Sohlen der schweren Wanderschuhe zerbröselt. Hier bin ich nun einer von vielen, der sein selbstgefällig geschnitztes Profil mit sich herum schleppt und nun versucht, es verlegen verschwinden zu lassen.

 

Hier interessiert es niemanden. Hier kann ich eintauchen im Pilgerstrom, ohne dies selbst als Abwertung zu empfinden oder abwertend zu begreifen. Ich laufe mit, gehe nebenher, bin mittendrin. Dabei sein ist vielleicht nicht schon alles, aber ein wesentlicher Teil des Weges an sich, auch für mich...

 

Oh ... Obacht...  Vorsicht...Gefahr...  hier könnte man sich in einer Heideggerisierung der Streckengrübelei verlaufen... Will ich "so sein" im "Hiersein"? Das "Dasein" im "Dortsein" so begreifen, dass ich "sein kann", wie ich "sein will"? Bin ich heute hier und morgen gestern?...

 

Was soll das nun wieder ?... Fragen über Fragen...

 

 

Zielvorgabe                                                          C/0

 

Der Weg ist steil, der Geher grummelt -                   C

so viel unnütz Zeit verbummelt.                                 C

Der Spazierer hat Begehren,                                      a

öfter auch mal einzukehren.                                       dG

 

Der Wanderer setzt Schritt für Schritt -                    C

hat's gern, geht einer mit ihm mit.                            C

Der Pilger nützt das Gehn zum Denken,                  d d/H

und mag Knöchel nicht verrenken.                            dGG7

 

Der Läufer sieht die weite Strecke -

läuft ja auch zu diesem Zwecke.

Der Renner, der will vorne sein,

rennt nicht gerne hinterdrein...

 

Wo geht's lang? Ist das der Weg?

Ob ich erst mal überleg?

Fehlt ein Kurs? Brauch ich ne Richtung?

Durch den Hohlweg? Auf die Lichtung?

 

So sind alle gern und häufig,

jeder, wie er's möchte, läufig,

machen sich auf ihre Weise

auf den Füßen auf die Reise.

 

Jeder geht hin, wo er will,

mal laut redend, manche still,

jeder so sein Ziel erreicht -

der Weg so keinem andern gleicht.

 

 

9 Moderation: Knipsers Lust

 

War man da, wo man hinwollte, hat gesehen, wie es da war, will mancher zeigen, was er da gesehen hat. Gewiss will er so auch beweisen, dass er tatsächlich da gewesen ist: "Schau mal, so war das... sieh mal, so sah das da aus, das hab ich gesehen, das hab ich selber erlebt, das kann mir niemand mehr nehmen."

 

Auf dem Jakobsweg geht man zwar eine Strecke, auf der seit Jahrhunderten Pilger unterwegs sind, aber heute geht man auch mit der Zeit. Und da lassen sich selbst flüchtige Eindrücke festhalten. Und so wollen sie viele auch gerne mitnehmen, wollen sie zeigen, daheim, unterwegs, haben was vorzuweisen. Und so wird versucht, manch eindrucksvolles Motiv dem Schauplatz zu entreißen. Es wird angeeignet und konserviert, für die Zukunft gesichert, wird als sinnfreies Erbe einer Nachwelt hinterlassen, die kaum weiß, was sie damit anfangen soll.

 

Aber man geht mit der Zeit, und der Finger findet den Auslöser - ob an der Kamera oder am Smartphone. Der Blick wandert in der schönen neuen Fotowelt hin und her, zwischen Display und dem Objekt der Begierde. Und selbst der steilste Gipfel ist nicht so hoch wie der Gipfel der Lust aller modernen Knipser: Das Selfie. Nichts taugt wohl besser zum Beweis, dass sich, wenn schon nicht die Erde, dann aber doch das selbst wahrgenommene Geschehen, nur um einen selbst dreht, als unverrückbaren Mittelpunkt. Man ist und bleibt gerne auf sich fokussiert. Das muss gar nicht solistisch sein, sondern geht auch im Rudel.

 

Sie haben mich fasziniert, diese blendend gelaunten Jugendlichen, unterwegs im Duo oder Trio, Quartett oder zu noch mehreren, auffällig häufiger junge Frauen, seltener junge Männer, strammer Schritt und stramme Waden, fröhlich plappernd, mitunter ungehakt - eine Phalanx, die alle paar hundert Meter abrupt abbremst: Zur Selfie-Pose.

 

So bekommt das Innehalten einen ganz praktischen Sinn, bis der Zweck erfüllt ist, und sie wieder weiter stürmen, zielstrebig erneut an mir vorbeirauschen, falls sie mich zuvor bereits raschen Schritts schmunzelnd hinter sich gelassen haben... Sie machen ihren Weg... zweifellos... und Zweiflern können sie was vorweisen...

 

 

Knipsers Lust                                                       DD/0

 

Smartphone in der Hand getragen, Kamera am Hals so schwer -  D  D/C# D/H   A9 A8

ist die Welt nicht voll Motive - Knipser-Herz - was willst du mehr.D  D/C#  D/H  A9 A8

Auf dem Chip füllt sich der Speicher, während sich der Akku leert,                 GAGe

und das Objektiv fängt alles, was sich nicht energisch wehrt...                         GAGA

 

Selfie, Zoom und weite Linse, Schnappschuss - zeig mal, wie ich grinse...    D'C'

Sonnenaufgang - weiter Blick... klick - ich weiß, was ich verschick...             D'C'D

 

Stellt euch hin, ganz eng zusammen, ich will euch doch alle drauf...

jetzt mal lachen, lass die Öhrchen, hört doch mit dem Blödsinn auf.

Schöne Bilder solln das werden, doch nicht für ein Comic-Buch,

los noch mal, die solln was werden - sonst gibt's doch noch nen Versuch...

 

Ganz nah ran, ein anderer Winkel, schieb doch mal den Schatten weg,

bleib da stehn, da in der Sonne, ist zu grell, hat keinen Zweck...

gleich ist dann schon wieder dunkel, lass doch bloß das Blitzlicht aus,

ich hab immer rote Augen, wie du in die Linse schaust.

 

Selfie, Zoom und weite Linse, Schnappschuss - zeig mal, wie ich grinse...

Sonnenaufgang - weiter Blick...klick - ich weiß, was ich verschick...

 

Siehste, da, das ist ein Profi, schau doch mal, wie der das macht,

hält die Hand über die Linse, dann ist sie so überdacht.

Lass mal sehn, wie das geworden - guck mal da, wie ich da guck -

kriegst mich nicht mehr vor die Linse, weil ich mich beizeiten duck.

 

Selfie, Zoom und weite Linse, Schnappschuss - zeig mal, wie ich grinse...

Sonnenaufgang - weiter Blick...klick - ich weiß, was ich verschick...

 

 

10 Moderation: Warum auch nicht

 

In manchen Augenblicken kann man in Augen schauen. Man kann auch schauen, ob Augen schauen und wie sie blicken, ob sie danach trachten, betrachtet zu werden... Damit Augen erblicken, was Augen sehen sollen, blicken Augen zunächst in den Spiegel. Ein gründlicher Blick kritischer Betrachtung, um zu sehen, wie die, die da in den Spiegel blickt, ausschaut...

 

Manche wollen gesehen werden, angeschaut, wahrgenommen werden, wenn sie vorübergehen. Manche bleibt vielleicht selber stehen, um selbst zu schauen, was es zu sehen gibt. Könnt ja sein, dass jemand zu entdecken wäre, den man betrachten könnte, der vielleicht ein Auge riskiert... einen Blick wird man ja wohl noch werfen dürfen...

 

Natürlich nimmt man wahr, wer da sonst noch so auf dem Jakobsweg mitwandert, und wie... Immerhin ist ja die Wahrscheinlichkeit groß, wenn man etwa im gleichen Tages- und Streckenrhythmus unterwegs ist, dass man sich nicht nur einmal übern Weg läuft. Bei verschiedenem Tempo und unterschiedlichen Pausengewohnheiten bleibt es gar nicht aus, dass man sich hin und wieder unter die Augen kommt...

 

Und was Blicke so wahrnehmen, löst Gedanken aus, die man sich so über seine Mitwanderer macht... Natürlich sind es subjektive Wahrnehmungen und Bewertungen. Man hat sein eigenes Raster zur Sortierung, vor dem Hintergrund eigener Befindlichkeiten, Gewohnheiten und Prägungen. Und manches mag auch jeder Beschreibung spotten:

 

Was wird sie auf den Weg gebracht haben, diese Pilgerin, deren Wimpern klimpern... die den Pilgerweg so energisch im Designer-Outfit entlang stiefelt, als ob sie dem Catwalk entkommen will. Ob sie sich verirrt hat? Hat sie sich den Weg so vorgestellt? Das Abenteuer so gesucht? Oder anders?

 

Wer auffällt, zieht Blicke auf sich, auch meinen... grinsend, aber doch neugierig. Wenn der Weg ihr Ziel gewesen sein sollte - war es dieser? Und wohin soll er sie führen? Und ist das auch tatsächlich mein Weg? Etwa auch mein Ziel? Wer läuft in der Spur? Wer ist auf dem falschen Dampfer?

 

Gut möglich, dass ich es bin, mit meinen auf Äußerlichkeiten gestützten Mutmaßungen, die jeglicher Grundlage entbehren können, aber wer seine Gedanken schweifen lässt, muss sehen, wie er sie wieder einfängt...

 

 

Warum auch nicht                                          DD/0

 

Die Frisur sitzt wie gemeißelt,                                   D

jemand hat sich echt gegeißelt,                                  D

ne andere ist satt geschminkt -                                   DA9

auch ne Leistung, die sie bringt...                              A9 I A8

 

Nägel ganz perfekt gefeilt,

für den Laufsteg durchgestylt,

Outfit nach dem letzten Schrei -

Hauptsache, frau ist dabei.

 

Täglich gehn sie ihre Touren,                                    G

gern auf prominenten Spuren,                                    G

sehen gern wovon man spricht -                                Dh

warum? - Na - warum auch nicht...                           eGD

 

Eine läuft mit falschen Wimpern,

kann im Marschtakt damit klimpern,

Lidstrich bis zum letzten Schwung -

so fühlt man sich ewig jung.

 

Und ihr Rucksack? Mehr ein Täschchen,

Rüschchen, Bändchen, Häkchen, Läschchen -

alles passt, ganz Ton in Ton,

sowas merkt man dann auch schon.

 

Täglich gehn sie ihre Touren,

gern auf prominenten Spuren,

sehen gern wovon man spricht -

warum? - Na - warum auch nicht...

 

Sich bemüh'n, versteckt zu gähnen,

Hände vor den falschen Zähnen,

die Perücke sitzt ja fest,

spürt sie bei nem Zwischentest.

 

Frauen suchen nach nen Mann,

Männer machen Frauen an,

machen sich so flott wie's geht -

klappt's? Vielleicht mit Stoßgebet...

 

Täglich gehn sie ihre Touren,

gern auf prominenten Spuren,

sehen gern wovon man spricht -

warum? - Na - warum auch nicht...

 

 

11 Moderation: Tage und Nächte

 

Zeit ist relativ, und unterwegs relativ egal. Auf dem Weg ist das Gefühl für Zeit zeitweise flüchtig, weil die Zeit beim Pilgern nicht gestohlen wird: Niemand da, der sie stiehlt, niemand da, der sie sich stehlen lässt,  und selbst wenn jemand sie stehlen wollte - was hätt' er davon? Schließlich gibt es sie reichlich, jeder hat sie doch zu genüge, im Überfluss, unterwegs, von früh bis spät. Man nimmt sie sich beim Gehen und Stehen, nimmt sie hin, gibt sich ihr hin. Denn sie ist ja da, ausreichend, für alles, was man so will...

 

Die Feststellung, wie sich doch die eigenen Bedürfnisse relativieren, ist mutmaßlich für jeden Pilger unausweichlich. Man reduziert seine Ansprüche, beschränkt sich auf Wesentliches. So hat man ja auch schon gepackt, ist nun damit glücklich und zufrieden. Unterwegs, beim Kramen im Rucksack, fällt einem immer mal wieder auf, dass das eine oder andere, was im Rucksack noch Platz gefunden hatte, doch auch noch hätte zu Hause bleiben können...

 

Bei wachsender Erschöpfung im Tagesverlauf, und beim Rückblick auf die immer länger werdenden, bereits zurückgelegten Tagesstrecken ist man mit immer weniger zufriedenzustellen... Man wird genügsam - gönnt sich ja sonst nichts...  Dabei bin ich doch ganz schön anspruchsvoll, vor allem mit meiner Erwartung an mich selbst, dass ich das, was ich mir da zumute, auch tatsächlich packe...

 

Bevor ich mich auf den Weg begeben hatte, solange ich noch nicht unterwegs war, aber doch der Zeitpunkt des Abmarschs schon immer näher rückte, war ich angesichts der Herausforderung vor mir täglich geschrumpft. Und war am Ende der Vorbereitungszeit, vor dem Anfang der Tour, ganz klein mit Hut...

 

Aber dann ging's los... und ging ja ganz gut, erstaunlich gut... so konnt's doch weitergehen... man entwickelt Routine... und die hat mir schon immer geholfen...

 

 

Tage und Nächte                               G/1

 

Die Tage sind so lang,                                  Ga6eD

fangen so früh morgens an,                          Ga6eD

wenn's noch draußen dunkel ist                  Gea6D

und du noch so müde bist.                           a6D9G

Wenn du gut gefrühstückt hast,

hast du bis dahin nichts verpasst,

und du schnallst den Rucksack um,

und der zieht dich erst mal krumm.

 

Bist du dann vom Pilgern matt,                   CeD

und vom Essen auch gut satt,                      CeD

schläfst du endlich müde ein,                       Ceaa/G

träumst so gut vom Pilger-Sein.                  D/F# (G)

 

Dann gehst du erst mal los,

warum machst du das denn bloß,

und die Antwort fällt dir schwer -

erstmal weißt du gar nichts mehr.

Und nach einer Weile dann

zieht die Sonne dich in'n Bann,

denn dann kriecht sie langsam rauf,

übern Horizont hinauf.

 

Scheint sie dann den ganzen Tag,

ist das so, wie ich es mag -

macht der Regen alles nass,

macht das Pilgern nicht viel Spaß.

Du läufst eine ganze Zeit,

denn der Weg ist ziemlich weit,

dann suchst du dir für die Nacht,

'n Schlafplatz, wo man Essen macht.

 

 

12 Moderation: Wie kommt der Stein in den Schuh

 

Wenn er erst mal da ist, spürbar drin, und dort dann auch nicht mehr ignoriert werden kann, führt auch an ihm kein Weg mehr vorbei. Wer sich auf den Weg macht, kann diesem Thema nicht entrinnen: Dem Stein im Schuh... Er drückt und plagt, wohin er sich auch verkriechen mag, ob unterm Zeh, unterm Ballen, oder unter der Ferse - er ist schlicht und einfach nicht zu ertragen...

 

Ganz wunderbar besungen hat ihn Manfred Maurenbrecher. Aber unmittelbar erlebte Qual nötigt zu einem eigenen Lied. So unterwegs bleibt es ja nicht nur bei der Wahrnehmung des störenden Fremdkörpers in der Fußbekleidung. Einmal darunter gelitten, will man ja schließlich zum Zwecke der Vermeidung weiterer Störungen gleicher Art der Ursache auf den Grund gehen und klären, wie der Fremdkörper überhaupt in den Schuh kommen konnte...

 

Deshalb blieb mir auch nichts Anderes übrig, als eigene gereimte Überlegungen zu vertonen... wobei klar ist, dass alle Notizen zu diesem Thema nur auf Erinnerungen beruhen! Ich hab nicht ein einziges Stichwort aufgeschrieben, während ich einen Stein im Schuh hatte... Die Beseitigung eines solchen hätte immer Vorrang.

 

 

Wie kommt der Stein in Den Schuh   C/0

 

Wie kommt der Stein in meinen Schuh?                   C

Was fällt ihm ein? Was hat er da verloren?                GFC

Wie kam er rein? Der war doch zu!                           C

Hat er versucht, sich da hineinzubohren?                GFC

Wieso ist er so frech und keck -                                 BFC

da muss er raus, da muss er weg.                               BFG

 

Wie kommt der Stein in meinen Schuh?                   F

Wie kam der rein - der war doch zu                          Ca

Wie kommt der Stein in meinen Schuh?                   GF

der war doch zu .                                                          C

 

Hat er die Sohle spitz durchstochen,

Ist durch die Naht hindurchgekrochen,

Kam er von vorne wohl herein,

dann müsst doch da ne Öffnung sein?

Kam er von hinten, an der Hacke,

dann wär am Absatz eine Macke.

 

Vielleicht am Senkel durch ein Loch,

durch das er bis zum Zehen kroch?

Hat ihn der Socken mitgebracht,

und hat sich nichts dabei gedacht?

Blieb er noch drin vom letzten Laufen?

Kam mit beim letzten Sich-Verschnaufen

 

Konnt er sich irgendwo verstecken,

unter dem Sohlenrand, in Ecken,

Hat er sich selber reingeschoben?

Hat ihn da einer reingehoben?

Hat ihn mir einer reingeschmissen?

Ich will es doch nur einfach wissen.

 

 

13 Moderation: Schrunden und Blasen

 

Füße sind äußerst empfindlich, überaus sensibel und leicht zu verprellen... man darf sich unter keinen Umständen so weit gehen lassen, dass man sie einfach nur gehen lässt, quasi sich selbst überlässt. Man muss sie hegen und pflegen. Sie erwarten intensive Zuwendung. Nur so werden sie nicht müde, ihre einzigartige Dienstleistung zu verrichten, uns mobil zu halten. Was sie für uns leisten, lässt sich ja nicht einfach anderen zuweisen.

 

Was das Pilgern zur Qual machen kann, sind Blessuren jeglicher Art. An den Schultern können sich die Rucksackriemen hinein schneiden, in den Beinen die Muskeln verhärten, und an den Füßen können Druckstellen, Risse oder Blasen quälen. Selbstverständlich sucht man schon vor dem Start Beratung und alle möglichen Gegenmittel, fragt nach Geheimrezepten, auf deren Wirksamkeit die heiligsten Eide geschworen werden.

 

Eincremen gegen Hornhaut, aber was tun bei Blasen? Aufstechen? Oder besser doch nicht? Wie lassen sie sich vermeiden? Zweifelndes Zögern nach skurrilen Tipps: Nie die Socken waschen? Wer weiß... Ja, wer weiß? Weiß wer? Ich bin Diabetiker, und deshalb werfe ich immer ein Argusauge auf meine Füße... Merke ich sie noch? Aber hallo... und wie ich sie gespürt habe - mehr als mir lieb war.

 

Schon beim "Einlaufen", also bei den Trainingstouren in und um Köln. Bei Weichlaufen des neuen Schuhwerks hab ich mir Blasen eingefangen... richtige Flatschen, die auf dem linken Fußballen das Auftreten zur Qual machten. Dabei hatte ich mir doch extra - nach gründlicher Suche und fachkundiger Beratung - besonders leichte und auch weiche, aber doch stabile Wanderschuhe zugelegt. Obermaterial Leder, um auch dem Schweißfuß ein Schnippchen zu schlagen...

 

Weil noch weitere Trainingstouren unerlässlich schienen, war immer noch kompetentere Beratung gefragt. So hab ich, der Empfehlung meiner Apothekerin folgend, nach Nylonsöckchen gesucht: Sie wurden mir von meiner podologischen Fachkräften wieder ausgeredet. Statt dessen: Blasenpflaster vom Marktführer. Die blieben aber nicht an der Stelle, wo sie halten sollten... Dann half ein Ballenpolster...

 

Man ist ausgeliefert, wenn man von Tuten und Blasen keine Ahnung hat...

 

 

Schrunden und Blasen                                                             a/0

 

Hast du von Schrunden oder Blasen keine Ahnung,                            aGFE

dann hör genau auf jede Warnung und Ermahnung:                            aGCE

Pass auf, dass dir an keinem Fuß ein Schmerz entsteht,                     FGCa

denn wenn du es zu spät bemerkst, ist es zu spät.                                FE  I E7

 

Mit besten Grüßen und Empfehlung von den Füßen.                          aGa

Wenn du's vergisst, wirst du's bereuen, sogar büßen.                         aGa

 

Spürst du vielleicht ja erst nur so ein leichtes Drücken,

dann schau genauer hin, kannst dich ja auch mal bücken...

was denn da grad an jener Stelle so passiert...

guckst du nicht rechtzeitig, wird's zu spät registriert...

 

Vielleicht ist es auch nur ne Hornhaut, schnell gefunden.

Man hat am Fuß ja rasch an manchen Stellen Schrunden.

Wenn man die rechtzeitig bemerkt und handelt gleich,

dann kriegt man harte Hornhaut auch problemlos weich.

 

Wird dann der Druck nach einer Weile deutlich fester,

du merkst Schuh, der erst gepasst hat, na, jetzt presst er,

und er engt dich unbequem auch ziemlich ein,

und du merkst viel zu spät, so darf es doch nicht sein.

 

Und danach plagt sie dich, die pralle, volle Blase   / denk

bloß nicht, wenn du reinstichst, wär's das, und das war se.

womöglich wirst du sie auf diese Art nicht los,

dann fragst du dich - aber zu spät - was mach ich bloß.

 

Dann wirst du eine Weile wie auf Eiern gehen.

Das ist für andre ziemlich lustig, die dich sehen.

Aber wer Blasen kennt, der weiß, wovon ich red' -

weil das ja weh tut, wenn man auf einer Blase geht...

 

Und eh sie schließlich wieder weggeht, das kann dauern,

man kann die Blasenläufer wirklich nur bedauern.

Darum pass auf, dass dir am Fuß kein Schmerz entsteht,

wenn es zu spät ist, na, dann ist es wohl zu spät...

 

 

14 Moderation: Der Kick

 

Warum macht man sich auf den Weg? Ist man seines Zuhauses überdrüssig? Warum lockt die weite Ferne? Was treibt einen hinaus auf die Straße, die Handwerksburschen früher, die mit einem Tuchbündel am knorrigen Stock für ein paar Jahre auf Achse gingen, Tippelbrüder, die in die weite Welt zogen...

 

Das Wandern ist des Müllers Lust... Inzwischen gibt es vermutlich mehr Menschen, die auf den Namen Müller hören, als es früher Wanderburschen gab, die es sachkundig verstanden haben, Getreide zu mahlen... Spürt jeder das elektrisierende Kribbeln, der sich in dieser Zeit auf die Walz begibt? Da müsse doch irgendwo irgendwas zu erleben sein, irgendwas kommen, sich offenbaren... Sucht man gezielt?

 

Was tut sich derjenige eigentlich an, der mit dieser Erwartung an den Start geht? Nicht nur vor der ersten Etappe beim Beginn der Tour, sondern jeden Morgen wieder... Vermutlich ist nur ein einziger Ratschlag wichtig und richtig: Es einfach mal kommen zu lassen, erst mal gucken, dann mal sehen - schauen wir mal - und am Ende in aller Ruhe die Sache abgeklärt betrachten...

 

Ich hab das Kribbeln nicht gleich, sondern allmählich gespürt. Vermutet, dass sich da die Möglichkeit eines einzigartigen Erlebnisses abzeichnete. Ich hab das Abenteuer gewittert und bin der Witterung gefolgt, hab alle Bedenken und Vorbehalte ausgeblendet, alle Sorgen und Ängste überwunden, die mich davon hätten abhalten können, mitzumachen.

 

Als ich die wilde Entschlossenheit meine Frau begriffen hatte, sich auf den Jakobsweg zu begeben, wollte ich nur noch eines wissen: Könnte ich, wenn meine Beine oder Füße nicht mehr wollen, und falls sich auch im Kopf keine Überzeugungskräfte mehr mobilisieren ließen, bei irgendwem einsteigen, der mich dann dorthin bringt, wo ich mich sammeln und erholen kann...

 

Als das geklärt war, als ich wusste, dass ich mich auf diese Zusicherung verlassen konnte, blieb nur noch die Frage: Was soll mir schon passieren? So konnte der Kick seine Sogkraft entfalten - gegen Bauchlandung gut versichert, quasi Vollkasko.

 

 

Der Kick                                                     e/0

 

Trotz, der in mir aufwallt,                             e

möcht ich gerne ignoriern,

will Schmerzen auch ertragen,

Unlust gar nicht registriern,

Hürden, die umlauf ich,

brems das aus, wenn mich was hemmt,

und geh dem auch aus dem Weg,

falls sich mir was entgegenstemmt.

 

Und wart auf den Kick -                                a6

gibt's da denn nicht 'n Trick?                      D- e

Fehlt es mir an Geschick?-                           a6

Wann ist er da...                                              H7

Wann kommt der Augenblick,                     a6

und packt mich im Genick,                          D- e

dass ich zustimmend nick' -                        a6

und weiß, jetzt ist er da....                             H7e

 

Widerstand geht gar nicht,

wird gewiss nicht akzeptiert,

wer nachgibt, dem muss längst doch

klar sein, dass er so verliert.

Gegenwehr ist zwecklos,

Jammern hat ja gar kein' Sinn

selbst wenn mir ein Umweg drohen sollte,

will ich einfach hin...

 

Jegliche Versuchung

ist nie vom Erfolg gekrönt,

seh die Aussicht einfach rosig,

hab mir längst das Ziel geschönt,

Will es jetzt auch endlich wissen

und vertrau der Illusion,

wird doch sicher was 'bei rauskomm' -

zumindest daran glaub ich schon.

 

 

15 Moderation: Pause

 

Gibt es was Schöneres, als die Last abzulegen? Den Rucksack abzustellen? Die Schultern zu entlasten? Wenn man die geschundenen Glieder recken und strecken kann... die Schnürsenkel lockert, Schuhe auszieht, Beine hochlegt, alle Mühsal ausblenden kann - wunderbar... Pause, endlich...

 

Auf alle Fälle ist sie wohlverdient: Unterwegs, die willkommene Unterbrechung einer Wanderung auf einer respektablen Wegstrecke, auf einer Tour, damit diese nicht zur Tortur wird. Oder auch in einem Konzert, bei dem man in einer Tour berieselt wird, von textlastigen Liedern, bis man sie nicht mehr hören mag, weil man genug gehört hat.

 

Die Pause dient der Erholung, und wenn man sie braucht, soll man sie sich auch gönnen... Ich hab sie mir eigentlich stets genommen, wenn sie sich mir anbot, die Chance genutzt, wenn sie kam, nur wenige ausgelassen. Schließlich gehört ja auch dies zum Genuss der Erschöpfung: Dass man bewusst fühlt, wie sich die Kräfte regenerieren.

 

Bei mir war es selten der Kaffee oder ein kaltes Getränk, das für mich wie ein Sahnehäuptchen die Pause krönte. Getränke hatte ich selbst dabei. Wie viel reizvoller war es doch, der Versuchung nachzugeben, sich mit einem Eis für überstandene Strapazen zu belohnen.

 

Hier kann ich Euch nun allerdings nur eines bieten: Gleich das, was ich jetzt erst noch zum Ende des ersten Teils besinge: Die Pause.

 

 

Pause                                                                           G/0

 

Geh ruhig vorüber, geh vorbei -                                 GhCD

ich mach den Weg schon für dich frei.                      GhCD

Hab meinen Platz da in der Lücke,                           Cmaj7/5-DCD

und hab Stöcke, keine Krücke.                                   Cmaj7/5-'DCD

In den Schuhen meine Socken                                   eC

sind schon lange nicht mehr trocken...                     aDD7

GCD GCD

Ich seh den Rucksack vor mir stehn -

soll ich schon wirklich weitergehn?

Du bist rasch vorbei gezogen,

vielleicht jetzt schon abgebogen,

und ich such noch nach dem Pfeil -

krieg dich, wenn ich mich beeil...

 

Wenn du sitzt, dann lauf ich weiter,

überhol dich keck und heiter,

lauf dir doch nicht weit vorweg -

nur grad um die nächste Eck',

und komm, wenn ich dich entdecke

plötzlich aus der hohen Hecke.

 

Vielleicht spürt man in der Menge

nicht das innere Gedränge

und sucht später ein Versteck,

sind die andern erst mal weg.

Und kommt fröhlich pfeifend raus,

und dann hält man's wieder aus...

 

 

2. Teil

 

16 Moderation. Pilger

 

War sie schön, die Pause? Jetzt sind sie unterwegs, von da nach dort, auf unterschiedlichen Routen, aus verschiedenen Richtungen, haben entfernte Ausgangsorte, nicht die selben Etappen, aber ihr Ziel, das sie erreichen wollen, das ist dasselbe. Mag es auch beim Grund ihres Aufbruchs eine Fülle von Antworten geben...

 

Zwischen Pilgerinnen und Pilgern gibt es beträchtliche Unterschiede. Sie machen jede und jeden einzelnen einzigartig. Und doch ist es auch mal gerechtfertigt, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben... Schließlich hat in all dieser Vielfalt auch die Einfalt was Verbindendes: Die Orientierung auf ein einziges Ziel, in der Hoffnung, damit sich selbst etwas Gutes zu tun...

 

Ich will jetzt keine Typologie auffächern, sondern, wenn ich sie besinge, die Vielfalt für sich sprechen lassen. Denn was wäre auch schon ein typischer Pilger? Und wie wäre er? Ich weiß nur gewiss, dass ich keiner gewesen bin. Jedenfalls hätte ich mich entschieden gesträubt, für einen gehalten zu werden: Für einen typischen Pilger....

 

Ich war und bin gewiss nicht das, was man einen begeisterten Wanderer nennen könnte. Den Spaß an sinnfreier Fortbewegung bei Wind und Wetter in zünftiger Kleidung, noch dazu mit aufgeschnalltem Gepäck, ist mir schon in jungen Jahren durch eine unfreiwillig zugeführte Überdosis ausgetrieben worden. Und was die Suche nach spirituellen Erleuchtungen anginge, war und bin ich eher unverdächtig, hier anfällig zu sein.

 

Vielleicht ist es ja nichts anderes als die Erdanziehungskraft, die sich bei einem mehr, bei anderen weniger deutlich zeigt und auswirkt, und für entsprechende Bodenhaftung sorgt. "Abgehoben" bin ich jedenfalls kein einziges Mal.

 

 

Pilger                                                                                        G/4

 

Jeder Pilger, den es drängt, so weit zu laufen,                        GF#e I F#

der muss irgendwann mal irgendwo verschnaufen.               GF#e IF#

Jeder Pilger, der den Rucksack umgehängt,                           Cea I a/G

fühlte sich zu diesem langen Marsch gedrängt                      FaD

 

Jeder Pilger, der sich auf die Socken machte,

hat gehofft, das wird genauso, wie er dachte.

Jeder Pilger, der sich zwingt, so weit zu gehn,

wird's zunächst, wenn er zurückblickt, kaum verstehn.

 

Jeder Pilger, der sich diese Strecke vornahm,

sieht auch, was im Pilgerführer gar nicht vorkam.

Jeder Pilger wird beim Pilgern überrascht -

ob er sparsam sich ernährt oder mal nascht.

 

Jeder Pilger mag nicht gern im Matsch versinken,

und darf unterwegs auch nicht zu wenig trinken.

Jeder Pilger hat sich auf dem Weg gequält,

weshalb er auch manchmal gern davon erzählt.

 

Jeder Pilger weiß ne Menge zu berichten,

was er sah, kennt Anekdoten und Geschichten,

Jeder Pilger geht auch manchmal gern allein.

Das gehört dazu und muss wohl auch so sein.

 

Jeder Pilger wird mal irgendwann ermatten.

Dann sucht er sich einen Platz im kühlen Schatten.

Jeder Pilger läuft sich müde irgendwann -

besser wäre es dann, er käm schon vorher an...17 Moderation: Die Zeit schleicht

 

Immer wieder ist es die Zeit, die sich mit ihrer Weite, mit ihrer ganzen Ausdehnung in unserem Denken breit macht...Wohin schweifen die Gedanken? Schweifen sie ab, tauchen sie ab - in die Vergangenheit? Eilen sie voraus - in die Zukunft? Oder wollen sie in einer Gegenwart verweilen, die eben noch Zukunft war, und jetzt schon Vergangenheit ist.

 

Woran orientiert sich unser Zeitgefühl, das uns eine Vorstellung darüber vermittelt, wie spät es sein könnte? Es hält sich an Indikatoren, die uns Gewissheit geben und uns vor Täuschungen bewahren können. Wir entnehmen diese Indikatoren einem Zeitablauf, der für unsere Tagesnutzung typisch ist. Aber wenn wir den Tag untypisch nutzen, gerät unser Zeitgefühl durcheinander.

 

Wie zuverlässig werden unsere Indikatoren, wenn wir auf einmal ganz anders gefordert sind und unsere Leistungen plötzlich anderer Natur sein sollen, wenn wir zu ungewohnten Zeiten in ungewohntem Umfange ganz anders erschöpft werden... Da kann es dann passieren, dass man denkt, es müsste doch längst auf Mittag zugehen - dabei ist es erst halb zehn...

 

Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die sich instinktiv gegen den Wecker wehrt, wenn es dem Körpergefühl nach doch eben erst Mitternacht gewesen sein kann. Ich reagiere eher unwillig, wenn ich zu einem Zeitpunkt aus dem Bett geworfen werde, an dem ich mir - rein subjektiv - die Dimensionen der Matratze gerade erst so richtig erschlossen habe.

 

Angesichts der empfundenen Notwendigkeit, aufgrund des frühen, zweifelhaften Nachgeschmacks nach späten Genüssen doch die wärmende Decke zurückzuschlagen, um mit der Zahnbürste gegen den Eindruck anzugehen, ich könnte in der Nacht in einen Schwamm mit abgestandener Ingwerlimonade gebissen haben, halte ich den Satz "Morgenstund' hat Gold im Mund" schlicht für eine Provokation.

 

Und doch hab ich es - jedenfalls nach meiner Erinnerung - auf dem Jakobsweg mit relativ wenig Gegenwehr geschafft, mich zur frühen Stund - für mich frühen Stund' - in die Schar der relativen Frühaufbrecher einzureihen, die partout schon unterwegs sein wollten, wenn gelassener auf die Tagestour gehende Wanderer sich noch mal umgedreht hätten. Na ja - der frühe Vogel fängt halt den Wurm...

 

 

Die Zeit schleicht                                          G/2

 

Ich lass die Uhr einfach stehn                                    G

und halt die Zeiger an -

die Zeit vergeht doch sowieso nicht,

dass ich's merken kann...

Ich geh und lauf, zwischendurch                               Ce

bleib ich mal stehn und lauf und geh,                        aD9

kaum Zeit vergangen, wenn ich dann                       Ce

auf meine Uhr mal seh.                                                aD

 

Die Sonne steigt nach und nach

hoch in den Himmel rauf,

den halben Tag lang, dann geht's runter -

und das hört nie auf.

Es sieht so aus, als ob sie

übern Himmel schleicht,

erst mittags hat sie ihren

allerhöchsten Punkt erreicht.

 

Scheint die Sonne so, dann scheint es

auch, die Zeit, die steht...

dass sie vergeht, merkst du,

wenn dann die Sonne untergeht.

Sie rutscht vom Himmel und ist weg,

und das geht so schnell.

Dich tröstet, wenn es dunkel

wird, es wird bald wieder hell.

 

In der Nacht leuchten die Sterne

und dann scheint der Mond,

und du fragst dich, wie so oft,

wie's wär, wenn man dort wohnt.

Auf leisen Pfoten um das Haus

ne schwarze Katze schleicht,

Die Zeit vergeht - auch in der Nacht,

die bis zum Morgen reicht.

 

II: Ich lass die Uhr einfach stehn  :II

18 Moderation: Lied der Notdurft

 

Der Mensch bleibt Mensch, mit all seinen Notdürftigkeiten und Bedürfnissen, aufnehmend und abgebend - nicht nur beim Atmen, sondern auch bei der übrigen Grundversorgung. Der Mensch lebt nun mal nicht von Luft und Licht allein, oder den Zuwendungen der Liebe, deren Entzug bei den einen zu Appetitlosigkeit führen kann, bei anderen wiederum zu Frustessen, je nach dem...

 

Der Mensch braucht tatsächlich neben Sauerstoff auch was zu beißen und zu verdauen. Klar, die menschlichen Zwangslagen, die sich zwangsläufig  aus den Zusammenhängen des Stoffwechsels ergeben, müssen auch auf einer Pilgerreise irgendwie befriedigt werden. Das geht notfalls auch abseits des Weges, falls mal eine gewisse Örtlichkeit in einer anziehenden Pausengastronomie derartig überlaufen sein sollte, dass die inneren Beweggründe, die den Antrieb für ein Aufsuchen dieser abgeschlossenen Örtlichkeit geliefert haben, darauf drängen, andere Optionen in Betracht zu ziehen...

 

Man kann sich auch genötigt sehen, die Gegebenheiten eben so zu nehmen, wie sie sind... So wird mancher, oder manche, der oder die nie daran dachte, in eine solche Zwangslage zu geraten, zum Wildpinkler: Im Kopf vielleicht das moralisch genormte schlechte Gewissen, im Nacken die Furcht vor Entdeckung, aber bei der Verrichtung in den Lenden das Gefühl grenzenloser Erlösung...

 

Nervös schweift der Blick ins Rund: Ist das Gebüsch tief und dicht genug - oder für mich auch eher hoch genug? Wie groß ist mein Vorsprung vor den nächsten Pilgern? Zu knapp? Oder ausreichend? Vor allem dann, wenn eine zuverlässigere Verborgenheit nicht gewährleistet ist...

 

Ich will ja nicht zu einem belästigenden Anblick werden - wer mag das schon... und so reiß ich mich halt zusammen, bis es nicht länger geht, um dann dort Entlastung zu suchen, wo die Chancen auf Verborgenheit gegeben sind, wenn auch nicht so vielversprechend, wie ich es mir wünsche...  Peinlichkeiten will man sich ja ersparen... und anderen auch.

 

 

Lied der Notdurft (Lamento)       DD/0

 

Man läuft sich warm                                      D

mit vollem Darm,                                           D

die Blase drückt                                             D

dann wie verrückt                                          D7

 

Jetzt musst du mal -                                       G

das ist fatal,                                                     G

denn offenbar                                                 D

sitzt jemand da.                                              D

 

Klo ist besetzt -                                              A

du bist vergrätzt.                                            C  IG

Bist du dann drin,                                          D

setzt du dich hin.                                            D

 

Bist du dann leer

und kommt nix mehr,

du um dich blickst

und leicht erschrickst...

 

Denn jetzt ist hier

gar kein Papier -

ist dann noch mal

ziemlich fatal...

 

Kein Taschentuch,

kein altes Buch -

du gehst verdutzt

halt ungeputzt...

 

 

19 Moderation: Zeichensetzung

 

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten... Also - loreleymäßige Rätselhaftigkeiten sind mir nicht unter die Augen gekommen, aber es hat sich schon mal die Frage aufgedrängt, was mir wohl das, was ich da sehe, sagen will... Und wer ist es, der sich mir da mitteilen will? Und warum? Will mich jemand aufmuntern, oder andere? Alle anderen? Motivieren? Schubkräfte freisetzen? Meine letzten Kräfte mobilisieren? Woher weiß er, dass es meine letzten sind? Kennt er mich? Kennt er mich eben nicht? Will er mich kennen lernen?

 

Unterwegs werden die Sinne geschärft, und ist eine gute Strecke geschafft, ist der Blick auch frei, nehmen die Sinne auch Besonderheiten wahr, an denen man unter anderen Umständen der Fortbewegung mutmaßlich achtlos vorbei gelaufen wäre. Kilometersteine erneuern auf dem Jakobsweg immerhin in regelmäßigen Abständen das Versprechen, irgendwann das Ziel zu erreichen. Sie sind beliebte Fotomotive, vielleicht um als Beweis zu dienen, dass man sie wirklich passiert hat.

 

Und so sind sie ein besonderes Objekt des Interesses. Und wenn sie sich dann auch mal von anderen Wegmarken ihrer Art, die mit ihren Informationen nützlich sind, reizvoll unterscheiden, verdienen sie auch besondere Beachtung, Zuwendung und Würdigung...  eigentlich...

 

Ich habe sie unterwegs eigentlich eher selten zur Kenntnis genommen, sie ganz einfach übersehen und ihre Information auch gar nicht gesucht. Beim Voranschreiten in einem gewissen Trott, der aus der Zuversicht gespeist wird, dass das Tagesziel unweigerlich in absehbarer Zeit erreicht werden sollte, verfehlen Ablenkungen dieser Art bei mir ihren Zweck.

 

Doch plötzlich, knapp nach einer Wegeskreuzung, stand ich vor einem Kilometerstein, den Zeitgenossen - Wanderer, Pilgerer, Scherzkekse, vielleicht alles drei in einem - fast zu einem Kunstwerk drapiert hatten, einer Skulptur der Zuversicht. Die Frage, ob das nun Kunst gewesen sein mochte oder weg konnte, stellte sich gar nicht erst... es war da - und ließ schmunzeln...  ungekünstelt...

 

 

Zeichensetzung                                               G/2

 

Auf dem Kilometerstein -                                            G Cmaj7/5-

- wird das wohl ein Zeichen sein? -                           DG

steht ne Flasche abgestellt,                                          G Cmaj7/5-

die noch einen Rest enthält:                                        DH7

 

Es ist "Don Carlos Nummer eins" -                         C

nimm ein Schlückchen, nur ein klein's,                    e

38,5 Prozent -                                                                C

das ist Doping, wenn man rennt...                             DD7

 

Auf dem Kilometerstein

wird das wohl ein Zeichen sein...

dir ein Hinweis deutlich sagt,

dass dich der Weg noch länger plagt...

 

Auf den Kilometerstein

ritzt man die Entfernung rein,

32,5 Kilometer -

wie die sind, das weißt du später...

 

Auf dem Kilometerstein

welches Zeichen könnt das sein?

Was könnt man daraus erkennen?

Was zum Trinken, was zum Rennen?

 

Was verheißen die Prozente...

etwa: Nur wer rennt, kriegt Rente...?

Was zeigt die Entfernung an?

Man kommt irgendwann mal an...

 

 

20 Moderation: Ich mach nicht mit

 

Gleichschritt und Uniformität - man sollte doch meinen, dem Wesen eines Pilgers, der sich fortbewegend um innere Einkehr bemüht, läge nichts ferner. Doch allein schon der Drang, sich überall dort, wo möglich,- also womöglich überall - eine urkundlich abgestempelte Bescheinigung zu sichern, die als Beleg für leibhaftige Anwesenheit daselbst herhalten soll, grenzt an Skurrilität...

 

Zwar ist es kein Gleichschritt, mit dem man sich jenem Stempelkissen nähert, und die Uniformität erschöpft sich in der Regel darin, dass Pilger auf diesem Wege eine Muschel tragen. Und doch hat diese Zwanghaftigkeit, mit der sich nicht nur vereinzelte Pilger in die Schlange einreihen, um sich abstempeln zu lassen, etwas von Herdentrieb... einer Schafherde... Nun - das Bild vom Hirten und den Schäflein ist wahrhaftig nicht originell...

 

Stromlinienförmigkeit hat nichts mit Ästhetik zu tun, und Anpassungsfähigkeit ist ein Merkmal des Chamälions, dem nachzueifern nicht zwingend ist... Solche oder so ähnliche Gedanken schoben sich mir wiederholt durch die Hirnwindungen, wenn ich sah, wie die eifrigen Stempelsammler ihre Pilgerpässe zückten und bescheinigen ließen, dass sie wirklich da gewesen sind, wo sie gerade waren... Man rechnet offenbar mit Ungläubigen...

 

Und natürlich hab ich gelegentlich erstaunte Blicke kassiert, bin mit offensichtlichem Unverständnis konfrontiert gewesen, wenn ich aus meiner Unlust, mich in so eine Stempelschlange einzureihen, keinen Hehl gemacht habe. Wem hätte ich mit einer wie auch immer angewachsenen Stempelsammlung imponieren wollen oder gar sollen?

 

Ich hab auch nie Fußballerbildchen gesammelt, keine Panini-Sucht entwickelt. Und die einzigen Sammlerheftchen, die ich besessen habe, hatte meine Oma vor 60 Jahren für mich vollgeklebt: Singvögel, Bildchen aus den Schmelzflockentüten der Kölln-Flocken.

 

Hab ich heute zwar noch, aber eine ganze Reihe der Vögel, die wir nun im Garten füttern, sind in der Sammlung gar nicht enthalten. Galten bei der Planung der Alben vielleicht als zu schräge Vögel - mag sein, dass ich unter den Pilgern auch einer gewesen bin...

 

 

Ich mach nicht mit                                                                      C/0

 

Immer gibt es Leute, die mich gut verstehn,                                         C

die mit tollen Tipps mir auf den Senkel gehn:                                       CG

Sei doch auch mal locker, lach doch öfter mal.                                     dada

Ich schlacker mit'n Gliedern und grins vor lauter Qual.                      dFGG7

 

Da mach ich nicht mit - das geht in die Hose.                                      FC

Da halt ich nicht Schritt - das ist viel zu lose.                                        FC

Da krieg ich 'n Schock, doch mach kein Geschrei -                            aF

hab darauf kein' Bock - geht am Arsch mir vorbei.                                            dGC

 

Dann glaubt wieder einer, dass er mir sagen kann,

was ich soll und muss - da fang ich gar nicht erst an.

Was bringt die Agenda, was kommt auf den Plan?

Wer will für mich das Beste und kann sich das dann spar'n..

 

Einer weiß es sicher, ich hätt' kein' Humor ...

Im Hals erstickt mir's Lachen, kommt schon mal so vor.

peinlich flache Witzchen, Schenkelklopfer-Gags,

lockern bei mir Kalauer als Folge meines Schrecks.

 

Einer hält für richtig, einer für verkehrt,

einer hält für wichtig, einer sich beschwert,

einer will es wissen, einer will's nicht hörn,

einer find's beschissen, einen kann's empörn...

 

Da halt ich mich raus - geht mir auf 'n Zeiger...

das halt ich nicht aus, sodass ich mich verweiger.

Macht doch was ihr wollt - braucht mich nicht dabei!

Wenn ihr mir auch grollt, ich bin grad so frei.

 

Manchmal locken Preise, die sind gut dotiert,

plumpes Lobgehudel auch schon mal passiert.

Mein Preis ist gediegen und exorbitant,

stellt alles in 'n Schatten und mich an die Wand.

 

Bin da sehr speziell - und nicht gut zu haben,

hab 'n dickes Fell, leicht durchzuschaben...

ich mach's mir nicht leicht, dafür andern schwer,

und wenn's dann auch reicht, was will ich noch mehr.

 

 

21 Moderation: Volker hört die Signale

 

Der Weg ist bevölkert... - doch es ist keine Völkerwanderung, die auf ihm stattfindet - eher Volkers Wanderung. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Pilger auf den Weg zu bringen. Das Ziel, das er anbietet, muss man sich selbst setzen, wenn man es erreichen möchte. Volker war unser Wegweiser, unser Weiser auf dem Weg. Er hatte uns weit mehr zu weisen, als die Richtung...

 

Das Wortspiel mit der ersten Refrainzeile der viel gesungenen "Internationalen" - "Völker, hört die Signale" - hätte ich einfach nicht aus meinem Kopf bekommen, wenn ich es nicht aufgeschrieben und verarbeitet hätte... Es bot mir die Möglichkeit, auf all die quälenden Versuchungen einzugehen, sich den Widrigkeiten des Weges oder den erlebten Unzulänglichkeiten des eigenen Körpers zu entziehen und einfach Volker darum zu bitten, einem doch den Rest der Tagesstrecke zu ersparen und einen entkräfteten, oder auch nur unwilligen Pilger mit dem Auto an der Route aufzusammeln...

 

Genau das war meine Versicherung gewesen, die ich mir erbeten, deren Zusicherung ich zur Bedingung gemacht hatte, um überhaupt in Erwägung zu ziehen, den Weg abzulaufen... Ich hab sie nicht einmal in Anspruch genommen, und darauf bin ich fast so stolz wie auf meine Abiturnote Befriedigend in Englisch bei meinem damaligen Lehrer Dr. Stader, die bei jedem anderen sicher eine zwei gewesen wäre... mindestens...

 

Ich hab schließlich alle Etappen im Zieleinlauf allein geschafft - quasi Plansoll erfüllt... - fühle mich gewissermaßen als "Held der Pilgererei"...  Nur ein einziges Mal hab ich mich - weil die Versuchung gerade so günstig war - beim Start eine kleine Strecke "vorfahren" lassen... Aber nicht, weil ich nicht mehr gekonnt hätte, sondern aus reiner Bequemlichkeit...

 

Das bisschen Selbstbeschiss hab ich mir längst verziehen... so wie es ja auch seinerzeit oft genug die Inbrunst-Sänger der Internationalen gehalten haben...

 

 

Volker hört die Signale                            A/0

 

Volker, hör meine Signale,                                          AD

ich bin nicht aus hartem Stahle.                                 D'A

Volker, hör mein stummes Flehen,                            AD

ich kann bald schon nicht mehr gehen.                    D'A

Volker, hör meine Geräusche,                                    f#h

ich glaub nicht, dass ich mich täusche.                     f#h

Volker, hör mein zartes Wimmern,                            f#D

und das könnt sich noch verschlimmern.                 E

 

Volker, hör mein leises Rufen -

hier sind viel zu viele Stufen.

Volker hör mein bittres Schreien -

kannst du mir nicht das Auto leihen.

Volker, hör doch auf mein Bitten,

meine Kraft scheint überschritten.

Volker, hör mein schwaches Säuseln,

wie sich schon meine Blasen kräuseln.

 

Volker, hör mein lautes Klagen,

muss ich denn diesen Rucksack tragen?

Volker, hör mein schlimmes Jammern,

kann ich mich fest ans Auto klammern?

Volker, hör mein dumpfes Grollen,

muss man denn, was man kann, auch wollen?

Volker, hör mich kraftlos stöhnen,

ich kann mich nicht dran gewöhnen.

 

Volker, hörst du nicht mein Flüstern,

ich lauf nicht so gerne im Düstern.

Volker, hör mein letztes Röcheln,

ich hab Schmerzen in den Knöcheln.

Volker, hörst du mich nicht greinen?

ich hab's Reißen in den Beinen.

Volker, lass von fern dich grüßen -

sofern ich heimkomm auf den Füßen...

 

 

22 Moderation: Geh deinen Weg

 

Einfach glauben - als ob es so einfach wäre, einfach zu glauben... wem? Und warum? Und wie viel...?  Einfach machen... Wer macht es sich denn einfach? Derjenige, der zweifelt? Oder diejenigen, die Zweifel nicht zulassen? Derjenige, der bezweifelt? An seinen Zweifeln verzweifelt? Oder diejenigen, die in ihrem Glauben Gewissheit suchen, und sich allzu gerne mit Gewissheit füllen lassen, weil es viel zu mühsam wäre, Zweifel zu ertragen...

 

Deshalb sind sie auch gar nicht gewillt, sich das, woran sie ja glauben wollen, beweisen zu lassen... Schließlich hat sich der ungläubige Thomas genug blamiert. Ich tu mich schwer mit vorbehaltlosem Glauben, Leichtgläubigkeit ist mir zu leichtgewichtig, zu einfach. Ich lass mich nicht gern für dumm verkaufen...

 

Auf dem Jakobsweg stellen manche Streckenabschnitte die Ausdauer auf eine besondere Probe. Wie im alltäglichen Leben sind es nicht für alle unterwegs die selben Abschnitte. Und wenn man nicht so recht voran kommt, ist es manchmal hilfreich, der Motivation durch äußere Anreize nachzuhelfen. Beispielsweise durch Musik, denn mit Musik geht alles besser...

 

Wenn es die richtige Musik ist, kann ein Anstieg auf dem steilsten Weg wie von allein gehen...Nicht nur durch eine musikalische Taktvorgabe, die den Schritt beflügeln kann, sondern auch durch anregende Texte, die das Hirn fordern, durch einzelne Formulierungen und Gesamtinhalte, durch Aussagen, die den Kopf beschäftigen, die die Schuppen vor den Augen entfernen, zum vehementen Widerspruch reizen.

 

Gelegentlich hab ich mich durch Kopfhörer beschallen lassen: So hat mich unterwegs Bob Dylan begleitet, und Johnny Cash, der in vielen seiner Lieder seinen Glauben bezeugt. Und so hat er mich - vielleicht als Gegenwehr, zu meinem Selbstschutz - gerade mit solchen Liedern, die seine starke Verwurzelung im Südstaaten-Bibel-Belt der USA belegen, zu einem "agnostischen Bekenntnislied" inspiriert - was gewiss nicht seine Absicht gewesen sein kann...

 

 

Geh deinen WEg    agnostisches Pilgerlied                                  G/3

 

Jesus hat kein' Briefschlitz - wirf nirgends ihm was rein.                   GCGC

Will er dir was sagen, meldet er sich von allein.                                    GDh

Leb, wie's dein Gewissen sagt, dann machst du nichts verkehrt.      GCGC

Hör auf keinen, der dich doch      nur ungefragt belehrt.                     GDh

Wenn du kein' vor den Kopf stößt und auch niemanden verstörst,   CDh-G

dann wird für jeden klar, dass du auf jemanden schon hörst.              CD9

 

Gott hat keine Mailbox - quatsch nirgends ihm was drauf.

Will er mit dir reden, sperrt er deine Ohren auf.

Leb wie's Kant empfohlen hat: Tritt niemandem zu nah.

Lach den aus, der drohen will mit dem, was niemand sah.

Wenn du kei'm auf den Zeh trittst, dafür jeden respektierst,

dann lebst du segensreich, auch wenn du niemanden hofierst.

 

Der Himmel hat kein Postfach, keine Anschrift, kein Depot.

Er spannt sich über alles, überall und egal wo.

Er hat keine Erwartung, versteckt kein Paradies.

Dafür ist er voll Sterne, die du klar am Himmel siehst.

Mach dir keine Sorgen, ob das, was du tust, missfällt,

und wer dich mit Erlösung lockt, will doch allein dein Geld.

 

Mach dich nicht verrückt, lass dich von keinem irritier'n.

Und wenn du nicht fanatisch wirst - was soll dir schon passiern.

Bleibe ganz gelassen, mach dir nicht gleich ins Hemd.

Kriegst du grad nichts hin, du kriegst es irgendwann gestemmt.

Geh nur deinen Weg, macht dies auch anderen Verdruss -

es ist so, wie es sein soll und kommt so, wie's kommen muss.

 

 

23 Moderation: Der Tod ist nichts

 

Das Unbeschreibliche und Ungewisse hinterher... - Es gibt die hilflose Sehnsucht mancher nach Unersetzbarkeit, die Hybris des Traum von der eigenen Unersetzlichkeit... Ist es denn mehr als ein Wahn, der nicht mal verhindern kann, dass derjenige, der ihm erlegen ist, schließlich doch unweigerlich eines Besseren belehrt würde, sofern dies noch zu Lebzeiten möglich wäre...

 

Wie wichtig ist jeder? So wichtig, wie sich manche machen? Wohl kaum. So wichtig, wie manche tun? Die Wichtigtuer eben... Wieso wären einzelne wichtiger als andere? Nur weil sie sich wichtiger nehmen? Wie wichtig nehmen sie andere, wenn sie es doch gar nicht erkennen lassen...

 

Dass selbst die festeste Annahme der eigene Unersetzlichkeit durch die ernüchternde Feststellung erschüttert werden kann, dass niemand unersetzbar ist, darin kann doch ein wichtiger Trost liegen, der das Loslassen erleichtern könnte - zumindest für andere.-

 

Volker hat uns häufig abends zur Einstimmung auf die nächste Etappe am folgenden Tag ausgewählte Texte vorgelesen. Bei seiner Auswahl dieser Texte, die ihm tauglich schienen, dem seelischen Gepäck ein wenig die Schwere zu nehmen, hat er ein gutes Händchen bewiesen. So las er uns auch ein Gedicht von Charles Peguy vor: "Auf der anderen Seite des Weges". Es hat mich berührt und dazu bewegt, den Text gründlicher auf mich wirken zu lassen und ihn singbar zu machen. So entstand dieses Lied:

 

Auf der anderen Seite des Weges Charles Peguy

 

Der Tod ist nichts,

ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht nicht eine andere Redeweise,
seid nicht feierlich oder traurig,
lacht weiterhin über das,
worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich,
damit mein Name ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne irgendeine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens:
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg,
nur auf der anderen Seite des Weges.

 

 

Der Tod ist nichts             a/2

nach dem Gedicht

"Auf der anderen Seite des Weges"

von  Charles Peguy

 

Am Tod ist gar nichts dran.           a

Bin nur grad nebenan.                    a

Ich bin ich, ihr seid ihr.                  G

So bleibt es, dort und hier.             a

 

Nennt mich so wie gewohnt,        C

sprecht mit mir ungeschont,         a

und redet ganz normal,                  CG

ohne Schmerz und Qual.                a

 

Vor allem weiter lacht,

so wie wir's stets gemacht,

und denkt dabei an mich,

das wünsch ich nachdrücklich.

 

Sprecht meinen Namen klar,

und so aus, wie er war,

nehmt seinen Klang nicht schwer,

grad dies wünsch ich mir sehr.

 

Lebt so, wie ihr es kennt,

bin nicht von euch getrennt,

Seid sicher - bin euch nah.

Schaut hin - ich bin doch da.

 

Habt ihr mich nicht im Blick,

ist dies nun mein Geschick...

Bin nun schon unterwegs,

dort, jenseits eures Wegs.

 

 

24 Moderation: Wunder(bar)

 

Was das Begriffsvermögen einfach übersteigt, was viel zu viel ist, um es einfach zu verstehen, das ließe sich ja vielleicht wenigstens bestaunen. Es lässt sich bewundern - und wen wundert's, wenn es passiert. Passierte es nicht, wär's ja auch  fast ein Wunder...

 

Die Versuchung ist einfach groß, etwas, was einem unwirklich erscheint, unbegreiflich vorkommt, einfach gar nicht erst begreifen zu wollen. Denn der Drang, es mit dem Verstand begreifen zu wollen, nähme ja dann die Möglichkeit, ganz einfach dran zu glauben...

 

Dass auf dem Jakobsweg Zeichen und Wunder geschehen, daran - wen wundert's - glauben gläubige Pilger sehr gerne, und so wird auch immer wieder versichert, dass dies auch tatsächlich geschehe, und wer dran glaube, werde es schon erleben... Nun - wer's glaubt, wird selig, und wer nicht, kommt auch in'n Himmel...

 

Warum eigentlich diese Sehnsucht nach Wunder? Eine Besessenheit in Missionierungsdrang? Zur Bekehrung der Zweifler? Sie brauchen die Wahrheit... Zur Besänftigung der Nörgler? Sie brauchen die Klarheit. Um Fundamentalisten zu bestätigen? Sie haben ihre eigene Gewissheit. Mehr brauchen sie nicht.

 

Wozu das treibende Ansinnen, Wunder erkennen zu sollen? Der Weg als solcher ist doch schon ganz einfach wunderbar, mit seinen eigenen natürlichen Anblicken und Ausblicken, auch ohne solche übernatürlichen Eindrücke, die so wundersam sind, dass man nach einer Erklärung dafür suchen muss, die mit rationalen Mitteln schwer fällt.

 

Und Wundersames, um sich darüber zu "wundern" - mit Augenzwinkern - gibt es allerhand... Unglaubliches, das sich rational nicht erklären lässt... aber besingen...

 

 

Wunder(bar)                                          DD/0

 

Der Weg, er bietet viel                                  DD'

zum Wundern und zum Staun'n,                 DD'

man kann es fast nicht glauben                   DD'

und höchstens davon raun'n,                       DD'

dabei ist man eigentlich                                D/E D/F#

doch schon vorgewarnt,                                G A9A8

hat man es so klar                                          D/E D/F#

auch vorher kaum geahnt.                            G A9A8

 

Da kräht ein bunter Hahn

am Mittag viel zu spät,

weil doch der Pilger schon

seit Stunden fleißig geht,

Ein stolzes Pferd den Pilgern

schöne Augen macht -

wohl keiner dies erwartet -

das ist nicht ausgedacht..

 

Zum Apfelessen steigt

ne Kuh in einen Baum -

das kann sich keiner vorstelln,

nicht mal im kühnsten Traum,

Da glitzern kleine feine

Sterne im Asphalt -

da hat ein Hund nen Rucksack

mit Inhalt aufgeschnallt.

 

Das größte solcher Wunder,

passiert am Kreuzungsrand:

Aufs rote Ampellicht

ein Pilger schaut gebannt,

ein Autofahrer steht

bei Grünlicht, hupt laut auf:

könnt selber doch längst fahrn,

doch drängt den Pilger: Lauf.

 

Der Weg, er bietet viel

zum Wundern und zum Staun'n,

man kann es fast nicht glauben

und höchstens davon raun'n,

dabei ist man eigentlich

doch schon vorgewarnt,

hat man es so klar

auch vorher kaum geahnt.

 

 

25 Moderation: Der Weg

 

Weg ist nicht gleich Weg - diese Erkenntnis reift rasch, selbst bei solchen Pilgern, die nicht spirituell suchen, die eher wandernd unterwegs sind, zu Fuß laufend, und nicht auf der Suche nach Erleuchtung, Erweckung oder Erlösung.

 

Er hat einfach was, dieser Weg. Und auch unabhängig von den täglichen Etappen, den täglichen Tageszielen der Pilgerstrecke, und unabhängig vom großen Ziel der Pilgertour, das galizische Santiago im Nordwesten Spaniens - kann der Weg, und wird der Weg jeden zu einem Ziel führen, am Ende einer Erkenntnisstrecke, wenn man angekommen ist...

 

Man kann sich freilich dieser Erkenntnis verweigern. Man kann Eindrücke ignorieren und Einflüsse anders bewerten oder sogar abstreiten, dass es sie gegeben hat. Man kann sich als immun darstellen, weil man glaubt, es seiner nach außen präsentierten Selbstsicherheit schuldig zu sein... Aber der Weg bleibt einzigartig, und diese Einzigartigkeit lässt sich nicht leugnen, ebenso wenig wie der Weg selbst.

 

Wer sich auf "den Weg" macht, der "erlebt" ihn, hautnah und unmittelbar, nicht nur an seinen Füßen, sondern mit allen seinen Sinnen, nicht nur in seiner unermesslichen Vielfalt und Unerbittlichkeit, in seiner Unendlichkeit und Gegenwärtigkeit, sondern auch in seiner Schönheit und seiner Geduld, mit seiner Beschaffenheit und mit den Menschen, denen man auf ihm begegnet, mit allem, womit er sich jedem, der ihn beschreitet, offenbart.

 

Kleiner Versuch einer agnostischen Einschränkung: Dieses Erlebnis muss doch nicht notwendig an genau diese Strecke gekoppelt sein - oder an eine der vielen anderen Pilgerstrecken nach Santiago oder Rom oder welchem Pilgerziel auch immer. Dafür könnte doch auch der Rheinsteig taugen... wenn er denn voller Pilger wäre. Denn diese machen ihn wohl so reizvoll, und je länger man bereit ist, sich diesem Weg mit all seinen Pilgern auszuliefern, desto reizvoller erweist er sich...

 

So jedenfalls hab ich ihn selbst wahrgenommen, als jemand, der seine Chance nutzen wollte, ihn sich zu erschließen - auch wenn dies eigentlich gar nicht meine Absicht war, denn die war weit egoistischer lustbetont, nämlich als schlichte Suche nach einem unvergleichlichen Abenteuer... und dann hat sich der Weg verselbständigt...

 

 

Der Weg                                                                     E/0

 

Der Weg ist steinig, der Weg ist schmal,                  EAE

der Weg ist schwierig und doch normal.                  EAH7

Er ist beschwerlich auf manchem Teil.                    f#c#

Der Weg ist eben, der Weg ist steil.                           f#H7

Er führt nach oben, geht hoch bergauf,                    EAE

hört auf dem Gipfel noch längst nicht auf.                EAH7

geht gerade runter, führt mich bergab -                    f#c#

fühl mich erst kräftig - am Ende schlapp.                 AH7E

 

Der Weg ist bergig, der Weg ist flach,

er macht mich müde und doch hellwach.

Der Weg ist frisch, der Weg ist warm,

der Weg ist reichlich, lässt mich nicht arm.

Der Weg ist wertvoll, ist ein Geschenk,

er lehrt mich lernen, macht, dass ich denk.

Er zeigt mir Weite, lädt ein zur Rast,

drängt nie zur Eile, zwingt nicht zur Hast.

 

Der Weg ist endlich, ein kurzes Stück.

Der Weg ist quälend und pures Glück

von morgens früh weit in den Tag,

ob ich es will und kaum ertrag...

Der Weg lenkt ab, der Weg führt hin,

der Weg geht weiter, der Weg hat Sinn,

er geht nach vorne, schnurgeradeaus,

führt um die Kurven und dann nach Haus.

 

Der Weg ist fordernd, der Weg ist leicht.

lässt jeden spüren, was er erreicht.

Er gibt unendlich und nimmt dich ganz.

Er lässt dich strahlen und gibt dir Glanz.

Der Weg gibt Weite und kostet Zeit.

Er zeigt den Weg aus Schmerz und Leid.

Er weist die Richtung und führt ins Licht -

hält ohne Zweifel, was er verspricht.

 

 

26 Moderation: Abgelaufen

 

Und dann das Ziel...  Man hat die gewaltige Strecke hinter sich, am Ende eines Weges. Längst hat er unterwegs seinen Schrecken, den des ersten Eindrucks, verloren... Man hat ihn hinter sich, hat ihn hinter sich gelassen...es hinter sich gelassen - und spätestens nun ja auch die Gelassenheit, für die es doch eigentlich schon vorher Grund genug gegeben hat...

 

Aus und vorbei? Was denn? Gewiss nicht zwingend - höchstens dann, wenn es am Ende genauso sein soll, weil man es so will. Vielleicht weil sich im Moment noch keine neue Perspektive erschließen mag oder sie beim besten Willen nicht zwischen die unendlichen Anforderungen aus der vorübergehend ausgeblendete Welt der Verpflichtungen hineingequetscht werden kann, weil ihr nicht ausreichend Raum bleibt.

 

Man könnte umkehren... oder weiterlaufen... sogar weglaufen... Steht am Ende eine Ankunft? Wartet, lockt sogar ein Neustart? Dann kann sich daran rasch ein neuer Aufbruch anschließen, ein Neuanfang - oder zumindest der Wunsch geweckt sein, eine Fortsetzung zu wagen... Oder folgt am Ziel eine Rückkehr? Oder Umkehr... unverändert - oder doch als jemand anders?

 

Wie wohl so mancher auch, hatte ich allerhand zu sortieren, als ich in dem Ort ankam, der sich vielfältig als geschäftiger Ort eines normalen Lebens präsentierte. Er lässt die Pilger einfach Pilger sein, so wie sich die Kuh nicht um die Fliegen kümmert, die sie umschwirren und auf ihr landen... Manche Straßenzüge weisen irritierende Ähnlichkeiten mit der Drosselgasse auf, in der man sich nicht scheut, euphorisierten Pilgern das Geld aus der Tasche zu ziehen.

 

Ich hab auch stillere Ecken gesehen, faszinierende Wahrnehmungen gemacht, mich über künstliche Abscheulichkeiten gewundert, hässliche Plastiken auf Hausdächern rund um den zentralen Platz mit dem Zugang zur Kathedrale - auch ein Eindruck, der mich in meiner Gewissheit bestärkt hat, dass ich nicht alles verstehen muss...

 

So hab ich nicht nur den Weg, sondern auch manche Straße in Santiago abgelaufen ...

 

 

Abgelaufen                                                                                                       G/4

 

Eingeschweißter Käse liegt im Kühlschrank schon ne Weile,                          G

beim Verbrauch gab's keine Eile, und so war er plötzlich alt,                           GG

war es auch im Kühlschrank ziemlich kalt...                                                        CDG

und nun muss man neuen kaufen, plötzlich - haste nicht gesehen - G

ist er einfach abgelaufen... so einfach abgelaufen...                                             GG

wer kann das verstehn? So kann's halt gehn...                                                     CDG

 

Diese lange Frist, um die Schulden zu begleichen,                                             G

konnt mein Geld auch gar nicht reichen, aber hat man kein' Kredit,               G

kann es schon mal sein, dass dies geschieht,                                                       CDG

und man kann kein Geld mehr leihen,                                                                   G

von der Schuld sich nicht befreien, plötzlich, haste nicht gesehen -                G

ist die Frist schon abgelaufen, so einfach abgelaufen,                                        G

wer kann das verstehn - so kann's halt gehn...                                                     CDG

 

Dieser alte Ausweis mit dem Bild, dem wunderbaren,                                       G

wollt man so gern bewahren, aber wenn er nicht mehr gilt,                               G

was nützt da das allerschönste Bild...                                                                     CDG

man kann sich dann keinen borgen - musst nen neuen dir besorgen,             G

den kannst du nicht einfach kaufen, plötzlich - haste nicht gesehen                G

ist er auch schon abgelaufen, so einfach abgelaufen...                                        G

ohne den kannst du nicht laufen -                                                                          G

wer kann das verstehn -   so kann's halt gehn.                                                      CDG

 

An den neuen Schuhen diese festen, dicken Sohlen,                                           G

warn der Grund, die Schuh zu holen, nützen plötzlich nicht mehr viel            G

nun fehlt's ihnen deutlich an Profil -                                                                      CDG

und nun soll man neue kaufen, plötzlich - haste nicht gesehen -                      G

sind sie plötzlich abgelaufen, so einfach abgelaufen...                                        G

wer kann das verstehn? So kann's halt gehn...                                                     CDG

 

Diesen langen Weg, der mir so unendlich vorkam,                                                            G

sag, warum ich mir den vornahm - und dann lief ich einfach los.                     G

Manchmal ist das Selbstbewusstsein groß,                                                          CDG

und man hört nicht auf zu staunen, hört sich selbst ungläubig raunen,           G

plötzlich - haste nicht gesehen -                                                                             G

bin ich diesen Weg gelaufen ... so einfach abgelaufen...                                     G

wer kann das verstehen? So kann's halt gehn...                                                    CDG

 

 

27 Moderation: Jakobs Walkingblues

 

Kann man unterwegs den Kopf abschalten? Völlig? Sich der Trance überlassen? Beine laufen, Füße ihren Weg selber finden lassen? Selbst wer sich dabei auf sein Inneres fokussiert, kann seine äußeren Wahrnehmungen nicht ausblenden, sollte es besser auch gar nicht versuchen. Äußere und innere Eindrücke vermischen sich, verselbständigen sich, machen schließlich was sie wollen.

 

Was liegt näher, als solche Wahrnehmungen, die man während seiner Wanderung zur Kenntnis nimmt, mit Gedankensprüngen und Einfällen zu verweben, die den Kopf beschäftigen, während die Füße einen Schritt nach dem anderen machen. Sie kommen dem ihnen erteilten Auftrag nach, eine Strecke zurückzulegen, damit man irgendwo ankommt, um sich besser zu fühlen.

 

Es ist absehbar, dass da allerhand durch die Hirnwindungen wabert, was in anderen Lebensumständen kaum festzuhalten wäre: Tief- und Schwachsinniges, Unsinniges, Blödsinniges genauso wie Wunderliches und Wundersames, Nüchternes und Ernüchterndes, Beschreibendes und Bilanzierendes...

 

Eine meiner Bilanzen: Ich hab mich unterwegs auf diesem Weg nicht fehl am Platz gefühlt und auch nicht durch andere gestört. Ich konnte andere laufen lassen, und man hat mich laufen lassen - so wie ich es erwartet hatte. Was hätte ich mehr erwarten sollen, mehr erhoffen wollen?

 

Ich habe Inspirationen gefunden, weit mehr davon als erhofft, und konnte sie auch künstlerisch umsetzen, wie beispielsweise in diesem Walking-Blues. Darin ist es mir zumindest technisch gelungen, Denksplitter und Textfragmente vor dem Vergessen zu bewahren.

 

Ich hab sie unterwegs gesammelt: Wie? Wanderstöcke untern Arm geklemmt, Zettel herausgeholt und Stift gezückt, aufgeschrieben und damit festgehalten, was sich anderenfalls vielleicht schon bis zur nächsten Wegbiegung verflüchtigt hätte.

 

Und gleichzeitig hatte jede Notiz meiner Wanderbegeisterung neuen Schwung verliehen. So ließ es sich pilgern... Der Walking-Blues als eine Art Zusammenfassung oder als Gesamtblick auf die Pilgertour... ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ohne Rücksicht auf Verluste...

 

 

JaKobs WalkingBlues                                                                                 G/0

 

Wenn morgens früh die Hähne krähn, ich noch mal von Herzen gähn,                        GG7

die Kiefer auseinanderreiße, mir fast auf die Zunge beiße,                                              CG

soll ich los und nicht so träg - auf geht's auf den Jakobsweg...                                     DCG

Einer sich früh morgens tummelt, einer übers Aufstehn grummelt,                               GG7

einer eilt, ein anderer bummelt, einer noch am Rucksack fummelt,                               CG

einer geht mit strammem Schritt - mancher kommt so schnell nicht mit.                  DCG

Zum Frühstück etwas Toast gegessen, noch mal gucken, nichts vergessen?                CG

Mit Hüftgold zwar, doch strammen Waden, auf dem Rücken schwer beladen,           CG

viele Kilo, die du trägst - du bist wieder unterwegs.                                                       CDG

Frühes Aufstehn - Schnappsidee, seh ja nicht, wohin ich geh...                                       GG7

wenn ich früh durchs Dunkle eile - wo sind Zeichen? Wo sind Pfeile?                          CG

Bin ich auf dem falschen Pfad ham wir schließlich den Salat...                                     DCG

Früher oder später kommt der letzte Kilometer                                                                 DG

ich lauf weiter - hinterher weiß ich über mich viel mehr                                                   DG

sing Jakobs Hymne, Jakobs Blues - und weiß, ich bin gut zu Fuß...                           CDG

 

Der Rucksack lässt bergauf sich ziehn, man kann ihm nur schwer entfliehn.

Schiebt er dann bergab im Rücken, auf den Schultern Riemen drücken,

und er hängt an dir so schwer - wo nimmst du die Lust nur her...

Gehst du dann auf deinen Wegen reckt sich manche Hand entgegen,

bist du unterwegs zum Schöpfer, stehn am Weg ne Menge Schröpfer.

Wer sich in den Weg dir stellt, der will ganz allein dein Geld.

Stöcke könn dir dabei nützen, um dich seitlich abzustützen,

auch um jene abzuwehren, deren lästige Begehren

schon mal auf die Nerven gehn - geh vorbei und lass sie stehn.

Irgendwann wird dann gerastet, an das Ziel herangetastet.

Setz dich hin, trink Apfelsprudel, lass vorbei ein ganzes Rudel.

Bist du schließlich ausgeruht, läuft es sich noch mal so gut.

 

Man könnte auch die Pause nutzen, um die Nase sich zu putzen.

Vom Gewissen unbelastet, wird danach auch nicht gefastet.

Vielleicht gönnt man sich ein Eis - schließlich ist es ziemlich heiß.

Kalauer den Weg verkürzen: Fürze, die die Landschaft würzen.

Rückstoß hilft den Weg zu schaffen - jeder hat so seine Waffen...

ohne Rücksicht auf Benimm - gehst ja solo - ist nicht schlimm.

Schritt für Schritt geht's immer weiter - und man stimmt sich denkend heiter:

Meine Hose ist ne enge - gerade die, an der ich hänge.

Früher war sie passend weit - war wohl schon vor langer Zeit.

Zwickt mich hinten meine Hose, sitzt sie sicher nicht zu lose...

weil sie eher kneifend ist, ist ihr Sitz vermutlich Mist,

passt sie nicht so, wie sie soll, ist sie also wohl zu voll.

 

Ob ich wandre, laufe, pilger - wär spazieren gehn nicht bill'jer?

Stöcke kurz und Stöcke lang, rauf und runter geht's den Hang,

Schuhe auf und Schuhe zu - hinterm Zaun die Kuh schaut zu...

Gehen, denken, stehen bleiben, um 'nen Einfall aufzuschreiben,

laufend kommen die Ideen - deshalb bleibt man manchmal stehen...

schreib sie auf ein Stück Papier, oder hast du keins bei dir?

Zwischen Rand- und Mittelstreifen grimmige Gelüste reifen:

In der Nase Auspuffgase, leerer Magen, volle Blase...

ungern läuft man auf Asphalt - nächste Pause ziemlich bald...

Jeder Schritt sticht in die Waden, auf den Wegen, auf den Pfaden

auf den Steinen, auf Basalt, dazu pfeift der Wind auch kalt...

Wieder geht der Weg bergauf - kann nicht mehr - ich hör jetzt auf.

 

In den Schenkeln, in den Knien, dieses Stechen, dieses Ziehen

Schmerzen lähmen das Gewissen - so wird der auch nicht gebissen,

der sich in ein Auto setzt - er hat sich halt überschätzt.

Immer gehen, ständig laufen, kurze Zeit nur zum Verschnaufen.

Der geht langsam, der geht schneller, mancher sucht spiritueller

seinen Weg zum lieben Gott - mancher geht halt mit im Trott.

Hosianna, Halleluja hört man nicht, und ab und zu, ja,

kann man auch, statt zu frohlocken, Füße strecken, nur in Socken,

nur danach - das könnt so sein - denkt man, Schuhe sind zu klein...

Meine Zehen wolln sich zeigen, vom Geruch wolln wir mal schweigen,

meine Ballen nehmen übel, und ich lauf wie blöd und grübel,

meine Fersen nehmen krumm - warum bin ich nur so dumm...

 

Läufst du schließlich automatisch, gehst im Grunde fast apathisch

Jakobs Weg in Jakobs Gang, folgst dem Takt im Kopfgesang,

Jakobs Stufen, Jakobs Schritt - überall läuft Jakob mit.

Jakobs Lieder, Jakobs Worte, Jakobs Muscheln, Jakobs Torte,

Jakobs Stock und Jakobs Stab, Jakobs Sagen, Jakobs Grab,

Jakobs Erbe, Jakobs Leid, Jakobs Segen nicht mehr weit...

Dann zum Abschluss das Sakrale in Sankt Jakobs Kathedrale

wo der Weihrauchkessel hängt, den man hoch an Seilen schwenkt,

duck dich, doch mach dich nicht klein. Nach dem Weg muss das nicht sein.

Mancher sieht es fatalistisch, eher nicht so spirituistisch,

andere nachts auch spirituosig, manches scheint dann eher rosig

mancher schleicht sich langsam raus und denkt schon mal an zu Haus.

 

Manche sich dafür verbürgen: Jakob hilft, man muss ihn würgen,

Hände um den Hals ihm legen, an ihn drücken, nicht bewegen,

goldnes Kalb mal kurz berührt - Pilger sind zutiefst gerührt.

Einer schaut, dass nichts passiert, niemand den Verstand verliert.

Glaube trennt sich von Agnostik: Wer nicht glaubt, dem wird es frostig -

auf den Platz raus durchs Portal - Sonne, Rettung - grad noch mal...

Sieht den Weg man rückwärts ganz, zieht für sich so die Bilanz,

merkt, allein schon das Erleben kann dir jede Menge geben,

spürt man, wie die Lust entsteht, dass man den Weg noch einmal geht.

Man hat manches ja gelesen, weiß, wie's sein kann, wie's gewesen,

und mag sich auch dran erinnern, wie's ist unter Selbst-Gewinnern...

Schluss mit Singsang - ist genuch - gibt ja dazu manches Buch.

 

 

28 Mod: Volker

 

Ein dankbarer Blick zurück - um demjenigen Respekt zu zollen, demjenigen Ehre zuteil werden zu lassen, dem Ehre gebührt.

 

Es gibt schließlich für nahezu alles Gründe, man findet für beinah alles Verantwortliche,

und nicht immer ist es eine Schuld, die zu erkennen ist.

 

Es gibt Kausalitäten, es werden Ursachen gefunden, und so landet man bei eindeutigen Ausgangfaktoren, ohne die es für mich diesen Weg und dieses Ziel nicht gegeben hätte.

 

Damit eine spezielle Danksagung für den Anstoß, die Anregungen, die Ansteckung in der Begeisterung, für Erklärungen, Ermutigungen, Erinnerungen, und überhaupt...

 

Ohne dies alles, ohne sein Engagement wäre das Entscheidende, nämlich meine eigene Entscheidung, mich auf den Weg zu begeben, überhaupt nicht denkbar gewesen... Danke, Volker...

 

 

Volker                                                        DD/0

 

Er ging so manchen Weg voraus,                D  D/E  D/C  D

weiß, wo es lang geht, kennt sich aus,

und hat im Land sich umgesehn -

und lässt uns gehn, und lässt uns gehn.

Er wirbt und plant, organisiert,

er informiert und motiviert,

macht unsere Lust erst richtig groß -

und schickt uns los,. und schickt uns los.

 

Er hat zur Route manchen Tipp

als guter Geist auf unserm Trip,

der uns voran bringt, Schritt für Schritt -

und macht uns fit, macht uns fit.

Er sorgt für nächtliches Quartier,

liest abendlich aus dem Brevier,

und stimmt uns auf die Strecke ein -

und das ist fein, und das ist fein.

 

Er findet Worte, Sätze, Rat,

hat auch so manch Zitat parat,

das, statt man's bloß auf Seite schiebt,

zu denken gibt, zu denken gibt.

Er gibt der Gruppe Rückgrat, Halt,

sorgt so für Wärme, ist es kalt,

und Speis' und Trank zur späten Stund

macht den Tag rund, macht den Tag rund.

 

Dieweil wir pilgern, staubbeschmutzt,

pflegt er Kontakte, die er nutzt,

und er behält mit viel Geschick

den Überblick, den Überblick.

Und wird der Weg uns mal zu lang,

macht uns die ganze Strecke bang,

versorgt er uns mit neuem Mut -

und es wird gut, und es wird gut.

 

Er nimmt uns mit und holt uns ab,

macht hin und wieder einer schlapp,

ist er der Retter in der Not -

alles im Lot, alles im Lot.

So haben wir den Weg geschafft,

auch seine Hilfe gab uns Kraft,

in guter Stimmung, ohne Zank -

Volker sei Dank, Volker sei Dank

 

 

29 Moderaton: Finistera

 

Wer strikt in eine Himmelsrichtung unterwegs ist, kommt ohne einen Wechsel in der Art und Weise der Fortbewegung irgendwann nicht mehr weiter... aber wo kommt er an...? Kommt wohl drauf an...

 

Wer sich Santiago de Compostela von Osten nähert und danach seinen Weg in gleicher Richtung weiter nach Westen nehmen will, also gewissermaßen übers Ziel hinaus, der kommt nach Finistera. Das ist dann dort, wo das Festland endet, und sich hinter ein paar letzten schroffen Felsen der endlos scheinende Atlantische Ozean ausdehnt.

 

Dort, wo sich in der Ferne im Westen ein Horizont erstreckt, wo auch, wie man früher wohl mal gedacht hatte, ein Rand sein müsse, von dem man sogar hinunterfallen könnte. Seit nach den ersten Weltumseglungen die Behauptungen deutlich seltener zu hören sind, dass die Erde eine Scheibe sei, raubt die Sorge vor einem Hinunterfallen deutlich weniger Menschen den Schlaf.

 

Die Erde ist eine Kugel - und ein Rand daher unauffindbar. Auch wenn es westwärts hinter der Küste von Finistera zumindest auf dem Landweg kein Weiterkommen gibt, droht das Ende der Erde doch eher nur zeitlich als räumlich...

 

Wir sind vor dem Start auf unsere Pilgertour die südliche Hälfte der Westküste Galiziens touristisch entlanggefahren und haben dabei auch Finistera nicht ausgelassen: Es ist gleichermaßen ein touristischer Anziehungsort für Ausflügler wie für vereinzelte Pilger auf der Suche nach einer allerletzten Grenzerfahrung.

 

Kein schöner Platz, wenn man nicht auszublenden vermag, was den Anblick des Aussichtsfelsens trübt, die vielfachen Hinterlassenschaften von Zeitgenossen, die sich angewöhnt haben, einfach fallen zu lassen, was sie loswerden wollen.

 

Mich hat das nachdenklich gemacht und einmal mehr die Frage aufgeworfen, wo auch dort, wo es offenbar nicht weiter geht,  all das enden soll. Danach bleibt nichts als Umkehr - auch in anderer Hinsicht nicht der schlechteste Richtungswechsel.

 

Wobei es durchaus ratsam wäre, sich hin und wieder eines in Erinnerung zu rufen: Hinterm Horizont geht's weiter... aber auf das "Wie" ließe sich durchaus Einfluss nehmen.

 

 

Finistera (Zugabe)                                                a/1

 

Wandert man nach Finistera,                                      aCDE

wird das Pilgern immer schwerer,                             aCDE

denn der Weg auf harter Straße                                  aCGE

fordert dich in hohem Maße.                                      aCEa

 

Gehst du dann die letzte Strecke,

hoffst aufs Ziel gleich nach der Ecke,

schleppst dich über den Asphalt,

müde an den Stock gekrallt.

 

Langsam gehst du auf den Sohlen,

Fahrzeuge dich überholen.

Ausflügler wolln nur mal kucken...

dass du läufst, kann die nicht jucken.

 

Und dann bist du schließlich dort,

stehst an diesem letzten Ort,

nur noch ein paar knappe Meter,

selbst wer nicht mehr kann - die geht er.

 

Steil sich hoch ein Leuchtturm reckt,

Wasser sich unendlich streckt,

kalter Wind entgegen weht

und sich hin und wieder dreht.

 

Leute springen über Steine,

kaum ist jemand dort alleine,

Abfall in den Ritzen liegt

oder durch die Gegend fliegt.

 

Land am Ende, weit der Blick,

Wind schiebt Hut tief ins Genick.

Frust, wenn es nicht weiter geht,

weil man nun am Ende steht.

 

Land am Rand und keine Wand,

rundum Steine - nicht mal Sand...

blaues Wasser, ferne Sicht -

Meer - wer sagt, [me:r] sieht man nicht...?