SAHARASAND                                                       a6/1
 
Der Himmel ockerfarben vom Saharasand,                           a6D9GC(E)
der kam mit dem Wind über die Wellen und das Land,             a6D9GC(E)
ohne Pässe und Papiere, Visa, Stempel, ohne Bild,              a6DH7e
fiel auf uns herab und hat die hat Dachrinnen gefüllt.             a6H8CDG
Saharasand fliegt mit Wolken übers Land,
über Grenzen über Meere, Küstenwächter und den Strand.
Ihn daran zu hindern, liegt nicht in unserer Macht
Wer‘s nicht glaubt, der hat sich schon lächerlich gemacht.
 
Wind trägt Sand übers Land,                                   H7e
Menschen werden ausgegrenzt und verbannt          a6D
landen irgendwo im nirgendwo –                             H7e
wo solln sie denn hin, wer weiß wo?                        a6De
 
Feinstaub aus der Wüste in die Poren dringt.
Dass man ihm entkommen könnt‘, im Traum nicht mal gelingt.
Staub zu uns geflogen in die Nase und ins Haar,
unvermeidbar mit dem Wind war er auf einmal da.
Wie wird man ihn los, wenn man ihn nicht haben will?
Er kam von alleine durch die Lüfte – heimlich, still.
Bleibt nicht stehn, bremst nicht auf Zuruf vor dem Schlagbaum ab.
Kommt im Überfluss geflogen, fällt auf uns herab.
 
Er lässt sich nicht halten, durch Beschluss oder Dekret,
Verwaltungsakt zur Abschiebung, früh morgens, nicht diskret.
Er ist nicht zu fassen, weil er durch die Finger rinnt,
und bewachte Sammellager ungeeignet sind.
Kein Entscheid verhindert, dass Wüstensand vom Himmel fällt.
Kein Flüchtlingsstrom versiegt, indem man sich entgegenstellt.
Man könnte ignorieren, warum die Menschen fliehn,
die wir mit unserm Reichtum magnetisch zu uns ziehn.
 
Beschließt ihr dann auch noch eine Migrationsreform
und verschärft dazu noch das Asylrecht ganz enorm.
Macht die Außengrenzen undurchdringbar dicht – 
interessiert euch die Not der Menschen nicht?
Die Überlebensangst kriegt ihr so nicht gebannt,
wenn ihr das glaubt, habt ihr die Wirklichkeit verkannt.
Wenn ihr euch bewaffnet verbarrikadiert,
euch die Todesfurcht der Menschen auf der Flucht nicht interessiert.…
 
Saharastaub in den Bronchien, Saharasand noch im Haar,
von den Wellen gehoben, geschaukelt – das Boot überladen war.
Nur wenige können sich setzen, tragen sie ihre Beine nicht mehr, 
tagelang auf tosenden Wogen, treibt sie der Sturm vor sich her.
Um sie herum nichts als Wasser, mit dem sich kein Durst löschen lässt,
langsam sinkt das Boot tiefer – sie klammern aneinander sich fest.
Von Schiffen mit starken Motoren aufs offene Meer abgedrängt-
ob, wer weiß, was hier vorgeht, an die, die ertrunken, denkt.
 
© 2024 Gerd Schinkel