DAS ZERRÜTTETE VERTRAUEN /2

DER WALD IST KEIN MANÖVERGEBIET FÜR GEWALTTÄTER IN UNIFORM

Aachens Polizeipräsident Weinspach offenbart Defizite im Differenzierungsvermögen

 

 

Köln, 18. Februar, 2019

 

 

Herr Polizeipräsident Weinspach,

 

Sie haben im Kölner Stadtanzeiger über eine komplette Seite die Möglichkeit erhalten, Ihre Sicht auf die Entwicklung und Zustände im Hambacher Wald darzulegen. Die haben Sie eloquent genutzt, wie nicht anders zu erwarten. Doch Ihre Sicht der Dinge lässt sich nicht mit dem in Überstimmung bringen, was der Lebenswirklichkeit nicht nur in meiner Wahrnehmung entspricht, sondern auch vieler anderer Waldbesucher. Deshalb kann ich Ihre Darstellung nicht unwidersprochen lassen.

 

Nun habe ich nicht das Glück, dass der Kölner Stadtanzeiger oder sonst irgendeine andere Zeitung oder gar Rundfunkanstalt mir für eine Erwiderung, zu der ich mich bemüßigt fühle, so viel Platz einräumen wird. Ich habe nicht einmal die Gewähr, in solchen Redaktionen überhaupt wahrgenommen zu werden. Um mit vergleichbarer Ausführlichkeit auf die Punkte eingehen zu können, die mir wichtig sind, werde ich deshalb meine eigene Webseite nutzen. Ich werde danach das, was ich dort schreibe, in meinem Twitter-Account verlinken, so dass es genauso für interessierte Medienkonsumenten nachlesbar wird, wie das mit ihnen geführte Interview des Kölner Stadtanzeigers. Das relativiert mir mein Gefühl der Ohnmacht in meinem Zorn.

 

Ich bewege mich seit 14 Monaten als Liedermacher mit Klimaschutzintentionen in der Szene, die RWE Grenzen setzen will. Wir kennen uns nicht persönlich, und nach allem, was ich von Ihnen inzwischen wahrgenommen habe, ist mein Interesse daran, Sie persönlich kennenzulernen, deutlich geschrumpft. Ich habe mich bei so manchen erfahrenen und eher besonnenen Klimaschützern über vorausgegangene Auseinandersetzungen mit der Aachener Polizeibehörde informiert.

 

Sie galten mal als vergleichsweise moderater Behördenleiter mit grünem Parteibuch oder auf dem Ticket der Grünen. Doch inzwischen bescheinigt man Ihnen unter einem Innenminister Reul einen schweren Stand und man nimmt an, dass Sie in Ihrer Amtsführung auch nicht mehr im gleichen Umfang wie vorher freie Hand haben. Mein Mitleid hält sich in Grenzen – jeder muss selbst wissen, was er sich zumuten kann. Nicht anders habe in meiner Zeit als politischer Radiojournalist für meinen Berufsweg entschieden.

 

Ihre Interview-Einlassungen zeigen mir jedenfalls, dass Ihre Defizite an Empathie und Verständnis gegenüber Klimaschützern – Aktivisten und Unterstützer – beträchtlich sind.

 

Gehen wir mal ein paar einzelne Punkte durch, der Einfachheit halber orientiert am Verlaufe des Interviews. Sie bringen gleich in ihrer ersten Antwort den „rechtsfreien Raum“ ins Gespräch, der nicht hinnehmbar sei. Sie argumentieren mit Bauordnungsrecht und Forstrecht, dem Geltung verschafft werden müsse, weil es geltendes Recht sei. Dies ist nicht mehr als eine Behauptung von Ihnen, die aus der Gesetzeslage heraus interpretiert werden könnte, aber die nicht zwingend daraus folgt. Vielmehr zeigt es einmal mehr, mit welcher Unverfrorenheit sich Politiker in Regierungsämtern und nachgeordnete Behörden – auf ministerielle Anweisung oder nicht – die Gesetzeslage so auslegen, wie sie sie gerne hätten.

 

Auf Baumhäuser mit Verweisen auf das Bauordnungsrecht zu reagieren, ist bestenfalls tricky, aber nicht so eindeutig gesetzeskonform, dass sie damit vor jedem Gericht obsiegen würden. Auch Behördenleiter bis in die Spitze eines Ministeriums bekommen gelegentlich vor Gericht Grenzen gesetzt, und das ist gut so, insbesondere beim gegenwärtigen Leiter des Innenressorts. Denn: Sie tun so, als ob selbstverständlich, wie von Ihnen behauptet, im Wald Rechtsnormen gültig wären, die nicht für den Wald geschaffen wurden, und dass deren Missachtung den Wald zum rechtfreien Raum machen würde.

 

Wer hier seine eigenen Regeln durchzusetzen bestrebt ist, das ist die Chefetage von RWE. Dort hat die Unternehmensleitung offensichtlich die Marionettenfäden in seinen Fingern, an denen Anteilseigner in Ministerämtern bewegt werden und zu Willen sind. Also halten Sie besser den Ball flach, wenn es um die Gültigkeit bestimmter Gesetze geht und darum, wer welche öffentliche Räume durch Verweis auf gar nicht geltende Gesetze zu rechtsfreien Räumen macht.

 

In Ihrer zweiten Antwort kommen Sie auf Erlebnisse aus der Advents- und Weihnachtszeit, die das Gegenteil von Deeskalation gewesen seien. Öffnen wir mal das Zeitfenster etwas weiter. In Übereinstimmung mit vielen Beobachtern kann ich feststellen, dass die Eskalation im vergangenen Jahr in erschreckendem Umfang vorangetrieben wurde. Die Verantwortung dafür sehe ich durch „Scharfmacherei“ im Düsseldorfer Innenressort. Außerdem nicht zuletzt bei Gewalttätern in Uniform, die sich - vor Identifizierung geschützt durch Helme und Maskierung – offensichtlich sicher gewesen sind, keinerlei Sanktionierungen fürchten zu müssen, ganz egal wie sie sich im Wald gegenüber Bürgern verhalten, die ihr gutes Recht wahrnehmen:

 

Sei es als „normale“ Bürger, sei es als Vertreter der Presse, die mit gültigen Ausweisen ihrer Arbeit nachgehen und Öffentlichkeit herstellen, wo die Landesregierung und Ihre Behörde Öffentlichkeit am liebsten ausgeschlossen hätten. Bei manchen Gewalttätern in Uniform fragt man sich, ob sie wissen, dass sie sich ohne Risiken alles erlauben können, alles von nachsichtigen Vorgesetzten gedeckt wird, weil sie quasi eine Lizenz zum Quälen und Entwürdigen in ihren Händen haben.

 

Aber so funktioniert unser Gemeinwesen nun mal, dass dem Staat und seinen Organen dabei auf die Finger geschaut wird und werden muss, wenn sie - vor allem auf zweifelhafte Weise - tätig werden, die dem Rechtsstaat Hohn spricht. Ich bin selbst Zeuge massiver Polizeieinsätze im Zeitraum der Waldräumung gewesen und bin über erlebte Vorgehensweisen immer noch entsetzt. Um sie publik zu machen, damit sie nicht sang- und klanglos unter den Tisch fallen, habe ich sie besungen. Für zusätzliches Entsetzen sorgten Schilderungen von Opfern dieser Vorgehensweisen und deren Ohnmacht. Ihre Versuche, sich dagegen zu wehren, wurde oft mit nacktem Zynismus beantwortet.

 

Anzeigen gegen gewalttätige Beamte, gegen die nach wochenlangen „Nichtbearbeitungszeiten“ die Ermittlungen eingestellt wurden, verliefen offenbar im Sande. Stattdessen gab es Gegenanzeigen, die gegen die Opfer polizeilicher Willkür erhoben wurden, offensichtlich in Revanche und zur Einschüchterung. Halten sie derartige Vorgehensweise für vertrauensfördernd? Liegt Ihnen vielleicht nur am Vertrauen aus der RWE-Vorstandsetage, aus der RWE-Belegschaft oder aus den Reihen der IGBCE?

 

Pressemitteilungen der Polizei, die ohne Gegenrecherche bereitwillig von Zeitungen abgedruckt werden (warum eigentlich? Wie pflegt die Polizeibehörde solche fragwürdigen, unethischen Kontakte?), bestätigen den Eindruck, dass der Hambacher Wald von der Polizei und der Innenbehörde quasi als „Kriegsschauplatz“ angesehen wird. Es hat den Eindruck, dass man allzu gerne auf die Ereignisse mit den Mitteln militärischer Kriegsführung reagiert. Zu denen zählt auch die Verbreitung von Nachrichten, die mit der Wahrheit nicht das Geringste zu tun haben. Die Wahrheit stirbt im Krieg zuallererst. Hauptsache, es wird eine „Stimmung“ erzeugt, in der man Widerstand und das dazu gehörige Unterstützerumfeld kriminalisieren und jedes Mittel, jede Methode rechtfertigen kann.

 

Da scheint wirklich jedes Rezept recht zu sein – auch Ihnen offenbar. Anders kann ich mir Ihre Anwürfe gegen Michael Zobel oder Antje Grothus nicht erklären, die in ihrem Bemühen um Schutz für den Wald und um eine gewaltfreie Lösung des Interessenkonfliktes zwischen Natur- und Klimaschutz einerseits, und den ökonomischen Interessen von RWE und den Interessen der Lobbyisten in der Landesregierung andererseits, genau den Finger auf das legen, was im Argen liegt: Auf den Mangel an Vertrauen.

 

Ja, es gibt eine Kultur des Misstrauens, da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, aber woraus in die entstanden? Es gibt Erlebniswelten, die klaffen weit auseinander und sind offenbar unterschiedlichen Planetensystemen zuzuordnen, obwohl sie sich aus Erfahrungen aus demselben Wald speisen. Immer wieder wurden Klimaschützer belogen und getäuscht: Von Politikern wie Laschet oder Reul, die sich als Erfüllungsgehilfen von RWE erwiesen und Recht nach eigenen Gutdünken zu bieten und zu beugen verstehen. Und von der Polizei – von einzelnen Beamten, die sich widersprachen, die offensichtlich Anweisungen nicht kannten oder kennen wollten.

 

Da wird so getan, als wäre der Wald doch nun auf Jahre geschützt, solange die ausstehende gerichtliche Entscheidung nicht getroffen worden sei. Da erheben Sie vollmundige Forderungen an die Adresse der Waldbewohner und Klimaschützer, sich doch an die Empfehlung der Kohlekommission zu halten und den Wald zu verlassen. Hält sich RWE an diese Empfehlungen? Wo bleibt Ihre Aufforderung dazu an die RWE-Chefetage?

 

Schauen Sie nach Keyenberg oder Kuckum. Kucken Sie sich dort um. Wenn Sie sehen wollen, was Sie sehen können, dann erkennen Sie es auch. RWE will Fakten schaffen, die nicht revidierbar sind, und zwar unter Hochdruck und ohne Rücksicht auf irgendjemanden, schon gar nicht auf Bewohner, die sich gegen eine Zwangsumsiedlung wehren. In einen neuen Dialog mit den Bürgern zu treten? Nicht, solange man nicht genötigt wird. Solange wird ignoriert, was den eigenen Interessen widerspricht.

 

Was ist nach den Erfahrungen der Waldbeschützer von RWE zu erwarten, wenn der Wald nicht weiter wirksam rund um die Uhr – und deshalb auch aus Baumhäusern - beschützt und die RWE-Mitarbeiter beobachtet werden. Es werden vollendete Tatsachen geschaffen, Fakten gesetzt, der Wald zwar vielleicht nicht komplett gerodet, aber sein ökologisches Gleichgewicht, soweit überhaupt noch vorhanden, durch kleinere Beschädigungen so zwischendurch, irreparabel zerstört.

 

Dann bliebe als vermeintlich einziger vernünftiger Schluss am Ende, den Wald doch besser komplett umzulegen. Und RWE hätte trotz eines gegenteiligen Gerichtsbeschlusses – wenn er denn so käme – sein Ziel erreicht. Und die Behörden – auch Sie – ignorieren dies und tun so, als sei RWE eine Art „Naturschutzbehörde“ ohne ökonomische Interessen. Halten Sie bitte die Waldbeschützer nicht für so naiv, wie Sie es offenbar vorzuspielen versuchen.

 

Sie behaupten, die Polizei differenziere genau zwischen Gewalttätern und friedlichem Protest von Bürgerinnen und Bürgern. Dass dem so sein könnte, wie von Ihnen behauptet, daran glaubt inzwischen unter den Klimaschutz-Aktivisten gewiss keiner mehr – und auch in der Unterstützerszene hält sich das Vertrauen in die auf Rechtsstaatlichkeit gründenden Absichten hinter den polizeilichen Maßnahmen mittlerweile in sehr überschaubaren Grenzen. Verspielt ist verspielt. Da hat die Polizei mit der unverhältnismäßigen Härte ihrer Vorgehensweise und ihrem widersprüchlichen, auf Willkür schließenden Auftreten, zu viel Vertrauen kaum wiedergewinnbar zerstört.

 

Sollte Ihnen doch daran gelegen sein, Vertrauen zurückzugewinnen, trennen Sie sich zunächst mal entschieden und klar von den Gewalttätern in Uniform. Sie könnten ja möglicherweise sogar noch identisch sein mit Unterstützern des wachsenden Rechtsextremismus in den Reihen der Polizei, die Sie doch gewiss nicht unter Ihren Beamten dulden wollen. Dann hätten Sie verschiedene Fliegen mit einer Klappe zur Strecke gebracht. Verzeihen Sie mir meine Zweifel daran, dass dies eine realistische Option sein könnte.

 

Dann nehmen Sie wenigstens Anzeigen gegen gewalttätige Beamte nicht nur mit Besorgnis zur Kenntnis, sondern leiten Sie entsprechende Verfahren ein. Diese müssen unmissverständlich klar machen, dass es in den Reihen der Polizei keine falsch verstandene Kameraderie gibt. Sie müssen ein wirkliches Interesse daran erkennen lassen, dass man über jeden Zweifel daran erhaben sein will, unser Gemeinwesen auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit zum Wohle seiner Bürger zu schützen – und nicht zum Wohle seiner Wirtschaftsunternehmen und deren Lobbyisten in Regierungsämtern.

 

Der Wald ist kein Manövergebiet oder Übungsgelände von Antiterror-Einheiten, wie sie nun offenbar von Reul (als neues Lieblingsspielzeug?) auf der Grundlage des neuen Polizeigesetzes auch in den Wald geschickt werden sollen. Es kann nicht das Ertüchtigungsfeld für hochtrainierte und ihrer Skrupel beraubte Einsatzkräfte der Bundespolizei sein, die sich in ihrer Gewaltbereitschaft deutlich von den Beamtinnen und Beamten unterscheiden, die Ihnen unterstellt sind. Sie sehen daran, dass mir meine Erfahrungen Differenzierungen erlauben…

 

Aber der Wald darf auch nicht das Trainingsgelände einer Bereitschaftspolizei sein, in deren Ausbildung etwas gewaltig schieflaufen muss, wenn mit überzogener Härte und auch Brutalität, wie ich sie gesehen und auch glaubhaft geschildert bekommen habe, gegen friedliche Demonstranten und vor allem auch Pressevertreter vorgegangen wird.

 

Zeigen Sie Rückgrat – oder gehen Sie Golf spielen. Diffamieren Sie nicht engagierte und entschiedene Klimaschützer als kriminelle Gewalttäter, während Sie Gewalttäter Polizeiuniformen straflos davonkommen lassen. Lassen Sie sich nicht wissentlich und willentlich zum Werkzeug von Möchtegern-Despoten in Düsseldorf machen – sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als auch Sie – so wie Ihren Dienstherrn - in der mir eigenen Weise entlarvend porträtierend zu besingen… Inzwischen hören mir viele gerne zu.

 

Mit besorgten Grüssen

 

Gerd Schinkel

 

 

 

 

 

DAS ZERRÜTTETE VERTRAUEN /1

WAS WEG IST, IST WEG

Polizisten klagen über Gewalt - Demonstranten erleben Brutalisierung der Polizei

 

Gerd Schinkel, Köln, 30, Januar 2019.

 

Die Justiz will Straftaten gegen Amtsträger härter ahnden. Polizisten klagen darüber, dass sie häufiger als früher Angriffen ausgesetzt seien, nicht nur in der Ausübung ihrer Arbeit beleidigt, geschlagen, getreten und bespuckt, sondern auch mit Waffen bedroht und angegriffen werden. Andere Staatsdiener wie Lehrer, Gerichtsvollzieher, Justizangehörige erlebten ähnliches, Einsatzkräfte der Feuerwehr, Notärzte und Sanitäter ebenso. Respektlosigkeiten gegenüber den-jenigen, die ihren Dienst für die Allgemeinheit verrichten, nähmen zu, Behin-derungen ihrer Arbeit seien an der Tagesordnung - Zustände wie in gesetzlosen Zeiten.

 

Greifen wir uns aus diesen betroffenen Berufsgruppen diejenige heraus, die gemeinhin als „mein“ und „dein Freund und Helfer“ mit einem üppigen Ver-trauensvorschuss ausgestattet waren. Wenn dieser verloren gegangen ist, fragt sich warum. Da mag es eine Reihe von Erklärungen geben, wenn man sich auf Erfahrungen stützt, die im Zusammenhang mit der Ausübung des grund-gesetzlich garantierten Demonstrationsrechts der Bürger gemacht wurden und leider immer wieder gemacht werden.

 

Man erlebt nämlich als jemand, den die Empörung zum Protest auf die Straße treibt oder auch in die Natur, rascher als man es erwartet, Konfrontationen mit uniformierten „Ordnungskräften“, mit denen staatstreue Bürger nicht unbedingt rechnen müssen. Durch erschreckende und kaum nachvollziehbare Gewalt-tätigkeiten von manchen Beamten gegenüber friedlich demonstrierenden Bür-gern, wecken diese Konfrontationen in der Art und Weise ihres Verlaufes un-weigerlich Zweifel daran, dass Vertrauen in ein gesetzmäßiges Handeln der „Ordnungskräfte“ gerechtfertigt ist - man kann quasi dabei zuschauen, wie es verloren geht...

 

Wenn die so von übergriffigen Polizisten tätlich angegriffenen Demonstranten - als Opfer einer staatlichen Willkür, die durch eine Kriminalisierung gerechtfertigt wird, die von oberster Stelle erfolgte – anschließend genauso wie die glücklicherweise davon verschont gebliebenen Beobachter erleben, dass nicht nur die uniformierten Gewalttäter keinerlei Konsequenzen zu fürchten haben, sondern die Opfer der Gewalt auch noch zu Tätern gemacht und angeklagt werden, dann ist das Vertrauen in die Polizei kaum noch retten und sicher auch nicht mehr von den Beamten oder ihren politischen Vorgesetzten zu bean-spruchen. Werden solche Erfahrungen wiederholt gemacht, fällt es den Opfern schwer und wird für sie sogar unmöglich, überhaupt noch Vertrauen in die Polizei zu fassen, sich auf Zusagen oder die Befolgung gesetzlicher Vorschriften durch Polizisten zu verlassen, oder sich noch auf Verhandlungen oder Absprachen einzulassen.

 

Wer als politisch Verantwortlicher mit Ordnungskräften kaum anders verfährt als unverantwortliche Anbieter bestimmter Rassehunde mit ihren scharf gemachten Kampftölen, der verhält sich auch kaum anders als ein Despot, der zum Erhalt seiner Macht gewissenlos den Einsatz rücksichtsloser Kampfeinheiten anordnet. Wer Bereitschaftspolizisten geradezu dazu auffordert, sich nicht auf Diskussionen einzulassen und Befehle auszuführen, ohne sich lange darüber Gedanken zu machen, ob sie tatsächlich, wie behauptet, gesetzlichen Grundlagen entspre-chen, ohne sie zu hinterfragen, wenn offensichtlich ist, dass sie außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit stehen, steht in einer unguten deutschen Tradition, die längst dauerhaft überwunden sein sollte, gleichwohl jedoch offenbar wieder Konjunktur hat.

 

Nicht anders ist die Reaktion von NRW-Innenminister Herbert Reul auf den Kohlekompromiss zu verstehen, der nicht in der Lage zu sein scheint, dem Hambacher Wald eine friedliche Chance zu geben, sondern schon wieder in Aussicht stellt, dass das Verheizen von Polizeikräften für einen sinnlosen Prestigekampf am Rande des Braunkohle-Tagebaus Hambach, im Schul-terschluss zwischen Landesregierung und RWE weitergeht.

 

So droht nicht nur wettermäßig eine Verschlimmerung der Klimakatastrophe, sondern auch eine nachhaltige Beschädigung des gesellschaftlichen Klimas. Offenbar legt es der Minister darauf an und scheut auch vor weiteren Opfern seiner Konfrontations- und Gewaltstrategie - angeblich zur Durchsetzung von Recht und Ordnung - nicht zurück. Wer neben Recht und Ordnung jedoch wirklich im Auge hat, auch den Rechtsstaat durch ein solides Vertrauen in seine Organe zu stärken, darf die Augen bei der Strafverfolgung uniformierter - und auch nicht uniformierter - Gewalttäter, die vom Staat rücksichtlos auf oppositionelle Bürger angesetzt werden, nicht verschließen.

 

Ob nach der Polizei dann auch noch die Justiz einen verbliebenen Rest an Ver-trauen derjenigen verliert, die sich gerne auf die Gültigkeit des Demonstra-tionsrechtes verlassen möchten, muss sich erweisen. Sie hat es in der Hand. Reul hat seine Chance verspielt.